Scharfe Pranken
legte seine Hand darauf und sagte: »Schuhe.«
»Oh!« Sie wirbelte im Kreis herum und suchte nach ihren Turnschuhen. Bo hielt sie ihr direkt vors Gesicht.
»Hier.«
»Oh. Danke!«
»Setz dich.«
Sie setzte sich und knüpfte die Schnürsenkel ihrer Turnschuhe auf. Oder zumindest versuchte sie es. Stattdessen machte sie nur noch mehr Knoten hinein. Dann klingelte ihr Telefon. Sie schaute mit einem Ausdruck darauf, den Bo eindeutig als Angst identifizierte. Er streckte seine Hand nach dem Telefon aus, aber sie schüttelte den Kopf. »Das ist sicher Gwen«, flüsterte sie. »Die reißt mir den Arsch auf.«
»Warum flüsterst du?«, flüsterte er zurück. »Ich bin mir sicher, dass sie dich nicht hören kann.«
»Da kennst du Gwen schlecht.«
Er warf ihr das Telefon zu und schnappte sich ihre Turnschuhe. »Geh ran.«
Sie tat es. »Hallo?« Sie zuckte sofort zusammen. »Ich weiß, dass ich zu spät bin. Ich bin in ein paar Minuten da. Wo ich stecke?« Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, und Bo fragte sich, wonach sie suchte. Nach einer akzeptablen Lüge?
»Ich, äh, stecke auf der Fünften im Stau. Warum ich auf der Fünften bin?«
Bo kniete sich vor sie hin, um ihr die Turnschuhe anzuziehen, hielt jedoch einen Moment inne, legte eine Hand auf ihr Telefon und sagte: »Du hast unterwegs angehalten, um ihr Frühstück mitzubringen.«
»Hab ich?«
»Hast du.«
»Oh!« Sie lächelte ihn an. »Danke.« Sie räusperte sich und sprach ins Telefon: »Ich habe unterwegs angehalten, um dir Frühstück mitzubringen, aber ich hätte nicht gedacht, dass der Verkehr so schlimm ist. Ob es ein gutes Frühstück ist?« Blayne sah ihn an, und er nickte.
»Das Beste in ganz Manhattan«, flüsterte er.
»Das Beste in ganz Manhattan, angeblich.« Sie lächelte erleichtert. »Ja, der Kaffee wird noch heiß sein. Und wenn er nicht mehr heiß ist, hol ich dir bei Starbucks oder so einen neuen. Okay. Bis gleich.«
Sie legte auf. »Ich hasse es zu lügen.«
»Wahrscheinlich, weil du richtig schlecht darin bist.«
»Ich weiß.«
»Wenn sie hier im Raum gestanden hätte, wärst du geliefert gewesen.«
»Danke für die Aufmunterung.«
Bo steckte ihr die Turnschuhe an die Füße und band die Schnürsenkel zu. »Bitteschön.« Er beugte sich nach vorn und griff nach ihrem Rucksack. »Ich habe alles eingepackt.«
Blayne nahm den Rucksack an sich. »Das ist so süß. Vielen Dank.«
»Ja, ja.« Er erhob sich. »Hast du ’nen Stift?«
»Ja.« Sie griff in ihre Cargohose und holte einen Kugelschreiber heraus. Bo nahm ihre Hand und schrieb etwas auf ihre Handfläche. »Hier kriegst du das Frühstück für euch beide. Der Laden gehört einem Gestaltwandler und ist nicht weit von hier. Die machen die besten Plunderteilchen in ganz Manhattan. Sag Mike, dass ich dich geschickt habe. Ich rufe ihn an und sage ihm, dass du kommst.« Als Blayne nur stumm zu ihm hinaufstarrte, fügte er hinzu: »Wenn du ankommst, wo immer du auch hin musst, und da ohne was zu essen und/oder Kaffee aufkreuzt, wird dir die Töwin das Gesicht zerfetzen.«
»Gutes Argument.« Sie schwang sich den Rucksack über die Schulter. »Danke für alles.«
»Keine Ursache. Und kauf dir eine neue Uhr.«
»Das werde ich … irgendwann.« Blayne stürmte aus der Umkleidekabine, und als Bo hinter ihr den Raum verließ, kam sie schon wieder auf ihn zugerannt. Er fragte sich ernsthaft, ob ihr Leben wohl nur aus Einhundertachtzig-Grad-Wenden bestand.
»Falsche Richtung«, lachte sie.
»Ich weiß.« Er seufzte. »Morgen um sieben. Hier.«
Sie kam mit einem Stolpern zum Stehen. »Morgen um sieben hier für was?«
»Blayne …«
»Oh.« Sie lachte. »Ganz vergessen.« Sie wies auf ihren Kopf. »Gott sei Dank ist der angewachsen.« Ohne Warnung sprang sie plötzlich hoch – wieder ohne Anlauf – und küsste ihn auf die Wange. »Vielen, vielen Dank. Bis morgen!«
»Sei lieber pünktlich!«, rief er ihr nach. »Und vergiss die Plunderteilchen nicht.«
»Er hatte recht«, sagte Gwen, ihren Mund voll Plundergebäck. »Das sind die besten Plunderteilchen in ganz Manhattan.«
Blayne nickte und aß weiter. Sie liebte diese Bäckerei jetzt schon, weil sie auch Leckereien verkaufte, die mit Honig statt Zucker gesüßt waren. Während sie nach ihrem dritten Plunderteilchen griff, sagte sie zu Gwen: »Woher wusstest du überhaupt, dass ich lüge?«
»Ich weiß immer, wann du lügst. Und diese dramatischen Pausen waren auch nicht gerade hilfreich.«
»Ich weiß,
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