Scharfe Schuesse
fünf
Pullover, zehn Satz Unterwäsche und Socken,
unzählige T-Shirts und Hygieneartikel mit. Meine
Telefonkarte und den Discman hatte ich auch schon
zu Recht gelegt. 200 DM mussten für den Anfang
reichen. Ich meldete mich mit dem Schreiben bei
meinem Arbeitgeber, der mich für zehn Monate von
der Ausbildung beurlaubte. An einem Sonntagabend
fuhr ich mit dem Zug von Kiel nach Niebüll und
dann weiter über den Hindenburgdamm nach
Westerland.
Damals gab es in dem Zug von der Marschbahn noch
standardmäßig ein Zugrestaurant. Ich war Raucher
und setzte mich in das Zug-Café. Ich hatte mir einen
Sechserträger Warsteiner eingepackt. Mein Discman
leierte schon etwas gequält die Illegal 2001-CD runter,
als ein junger Mann sich vor mich setzte und fragte,
ob er eine Zigarette haben dürfe. Ich bot ihm eine
Prince aus meiner Schachtel an und gab ihm Feuer.
Dann sah ich ihm ins Gesicht. Es war ein blonder
kurzhaariger Typ mit blauen Augen und einem
netten Gesicht. Er schien etwas schüchtern und paffte
an der viel zu starken Prince. Dann ging sein Mund
auf und er fragte:
„Welche Inspektion?“ Ich sah ihn an und musste erst
einmal meinen vorläufigen Truppenausweis aus dem
Portemonnaie kramen. „Entschuldige!“, sagte er. „Du
fährst doch auch zur Bundeswehr nach Westerland?“
Ich gab ein unbeeindrucktes „Warte mal … Erste!“ als
Antwort und sah ihn aufstrahlen. „Ich auch!“, sagte er
erfreut und wollte mir unbedingt ein Bier ausgeben.
Ich willigte ein und unterhielt mich etwas mit ihm. Er
war gerade achtzehn Jahre alt geworden und wurde,
so wie ich als Hauptgefreiter/ Unteroffiziersanwärter
(HG/UA) einberufen. Sein Name war Rene Welling.
Er kam auch aus Kiel. Als er mich fragte, ob wir nicht
ein Zimmer zusammen nehmen sollten, klopfte ihm
von hinten ein etwas freakiger dunkelhaariger Typ
mit braunen Augen auf die Schulter. „Hey, du
Flachwichser! Du kannst doch hier nicht wildfremde
Leute im Zug anquatschen!“ Der lustige Typ gab mir
die Hand und sagte: „Tach!
Das hier ist mein Cousin Schlimm Shady und ich bin
Rocco, der Knittenficker. Meine Freunde nennen mich
Rolf, Rolf Bauhmann. Hat Rene dich voll gequatscht?
Nimm das nicht so ernst, okay?“ Dann flüsterte er
Rene etwas ins Ohr und Rene antwortete leise: „Hab
ich doch schon!“ Rolf sah mich an und fragte entsetzt:
„Ist das wahr? Hat er dich angeschwult oder was?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, er fragte nach der
Inspektion und würde sich freuen, wenn wir
zusammen ein Zimmer bekommen könnten. Rolf
lachte. „Ach! Ihr denkt, wir fahren zur Glücksspirale,
oder was? Ihr beiden Schwuchteln wollt zusammen
ein Zimmer haben?
Aber nicht ohne mich. Ich brauche sowieso noch ein
paar Schärgen, die mir die Drecksarbeit machen. So
hab ich ja gleich zwei Zimmermädchen, cool!“ Ich
schüttelte den Kopf und Rolf ging auf die Toilette. Ich
sah Rene an. Ich fragte gleich: „Wer war das denn?“
Rene lief rot an. „Ich glaube, den haben wir jetzt an
der Backe!“, sagte er und rollte mit den Augen. Ich
war ja maßlos begeistert.
Ich hatte immer gedacht, dass für Schwule kein Platz
in der Bundeswehr sei. Rolf war so was von
penetrant. Der benahm sich wie ein Pascha und
Zuhälter. Allein die große Tätowierung am Hals und
seine dicke Goldkette um den Hals waren mehr als
auffällig. Rene hatte wenigstens Stil. Er trug eine
weiße Jeans und ein Polohemd, darüber einen
Pullunder mit Burlington-Muster. Er wirkte gepflegt
und war nett. Ich hoffte, dass wir Rolf aus den Augen
verlieren würden. Aber er kam schneller wieder, als
uns lieb war. Rene flüsterte leise: Wir schnacken
nachher weiter, okay?“ Dann lächelte er kurz und
wurde auch schon wieder verbal von seinem Cousin
angemacht.
„Hey, du kleiner Arschficker. Hast du jetzt endlich
eine süße Maus gefunden? Dann wäre doch die
Zimmerverteilung klar, oder was? Prost!“ Er war
einfach unmöglich. Ich war mir hundertprozentig
sicher, dass Rolf der verkappte Arschficker war. Aber
vielleicht waren die ja beide schwul, das wusste ich
natürlich nicht. Der Zug hielt in Westerland und auf
dem Bahnhof wurden wir nett von ein paar
Vorgesetzten empfangen. Wir wollten gerade die
Koffer in den Bus hieven, da motzte einer der
Soldaten in Flecktarn mich an. „Hey sie Arschloch!
Habe ich sie aufgerufen? Hinten anstellen, aber zack!“
Wir waren ja nun zu dritt und mussten uns hinten
anstellen. Dann wurden unsere Namen aufgerufen.
Wir durften in den Bus steigen und fuhren zum
Fliegerhorst, eine
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