Schatten über dem Paradies (German Edition)
auszuprobieren.
„Aber wie wissen die Leute, was zu tun ist?“ fragte sie. „Wie verstehen sie die Frau?“
„Es ist eine Bewegungsfolge, die sich immer wiederholt“, erklärte Cliff. „Wenn du die Abfolge erst einmal begriffen hast, brauchst du nicht einmal mehr einen Rufer. Das ist dann nur noch ein Zusatz.“
Maggie konzentrierte sich auf ein Paar und zählte die Takte mit, bis sie die Schrittfolge herausgefunden hatte.
Als die Sonne noch tiefer sank, fiel das Licht der Lampen, die über den Köpfen aufgehängt waren, auf die Tänzer. Der Boden vibrierte unter Maggies Füßen. Mit Cliffs Arm um sie gelegt, betrachtete sie die Tänzer. Sie erkannte die Postangestellte. Die eher streng wirkende Frau mittleren Alters wirbelte wie ein Derwisch herum und flirtete wie ein junges Mädchen.
Flirten gehörte dazu, Blickkontakt, viel versprechendes Lächeln. Der Tanz war, wie Tänze stets gewesen waren, eine Art Paarungsritual.
Als die Musik endete, stimmte Maggie in den heftigen Beifall ein. Lachend packte sie Cliffs Hand.
„Ich muss den nächsten Tanz ausprobieren, selbst wenn ich mich blamiere!“
„Achte einfach auf die Rufe und folge der Musik“, sagte er schlicht, als sich die Reihen wieder formten. „Sie gehen immer einmal den Tanz durch, bevor die Musik beginnt.“
Sie lauschte auf die nächste Tanzsequenz, auch wenn sie nicht einmal die Hälfte der Ausdrücke der Ruferin verstand. Während Cliff sie langsam durch die Schritte führte, genoss sie das Gefühl der Kameradschaft und das Fehlen von Hemmungen um sie herum.
Obwohl sie spürte, dass sie interessiert beobachtet wurde, ließ sie sich davon nicht stören. Die Leute hatten ein Recht dazu, war es doch immerhin die erste Veranstaltung, an der sie teilnahm, und ihr Partner war ein Mann, den jeder zu kennen schien.
„Die Nummer heißt ,Whisky vor dem Frühstück‘!“ verkündete die Ruferin. „Wenn ihr das schon versucht habt, wirst ihr, dass es euch nicht so gut tut wie das Tanzen.“ Sie stampfte mit dem Fuß auf der Plattform, eins, zwei, drei, und die Musik setzte ein.
Der Tanz war schnell und ausgelassen. Als Cliff sie zum ersten Mal herumwirbelte, fühlte Maggie den Lufthauch auf ihrem Gesicht und lachte.
„Sieh auf meine Augen“, warnte er. „Sonst wird dir so schwindlig, dass du nicht mehr stehen kannst.“
„Das gefällt mir!“ rief sie zurück und dann „Hoppla!“, als sie den nächsten Schritt ausließ und sich beeilen musste, um mit dem Rest der Reihe mitzuhalten.
Sie störte sich weder an der Verwirrung noch an der Menschenmenge. Schultern stießen zusammen, Füße verhakten sich, sie wurde um die Taille gepackt, als sie von Leuten herumgewirbelt wurde, die sie noch nie kennen gelernt hatte. Teenager tanzten mit Großmüttern. Ladys in Rüschenkleidern wirbelten mit Männern in Jeans herum. Als Cliff sie packte und sie in engen Kreisen drehte, wusste sie, dass sie stundenlang so hätte tanzen können.
„Das war es“, sagte er lachend, als sie sich an ihn klammerte.
„Schon?“ Sie war atemlos, aber noch lange nicht am Ende. „Es war wunderbar, aber zu kurz. Wann tanzen wir wieder?“
„Jederzeit, wann du willst.“
„Jetzt“, erklärte sie und reihte sich wieder ein.
Der Tanz begann, und als sie sich ihrem nächsten Tanzpartner zuwandte, wurde ihre Hand von Stan Agee gepackt. Ohne seinen Stern und seinen Revolver wirkte er wie ein attraktiver Sportler. Aus einem Grund, den Maggie nicht erklären konnte, spannte sie sich bei seiner Berührung an.
„Freut mich, Sie hier zu sehen, Miss Fitzgerald.“
„Danke.“ Entschlossen, ihrer Stimmung nicht nachzugeben, lächelte sie und hob eine Hand an seine Schulter, als er herumzuwirbeln begann. Sie fing seinen Duft auf, das vertraute Kaufhaus-Rasierwasser, aber es besänftigte sie nicht.
„Sie begreifen schnell.“
„Es ist wunderbar. Ich kann gar nicht glauben, dass ich das mein Leben lang versäumt habe.“ Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Cliff sich mit Joyce drehte. Die Spannung wollte sich nicht lösen.
„Reservieren Sie einen Tanz für mich“, bat er, bevor sie sich für den nächsten Schritt ihren ursprünglichen Partnern zuwandten.
Im gleichen Moment, als Cliff sie berührte, fühlte er die Starre in Maggies Muskeln.
„Was ist los?“
„Nichts.“ Es ist nichts, sagte Maggie sich, weil sie es nicht erklären konnte. Aber als sie jetzt von einem Paar Arme zum nächsten wanderte, begriff sie, dass sie jedes Mal mit einem Mörder tanzen
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