Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Und jetzt iß dein
Frühstück. Ich habe Anweisungen, darauf zu achten, daß du nichts übrig läßt.«
»Schon wieder Gabe.«
»Vermutlich weißt du längst, daß er dich liebt.«
»Ja, das weiß ich.«
»Weißt du auch, daß er verrückt nach dir ist?«
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Kelseys Gesicht aus. »Meinst du?«
Naomi mußte lachen. »Und ob du das weißt! Ist es nicht einfach herrlich, wenn ein Mann bis über beide Ohren in einen verliebt ist?«
»O ja. Und doppelt so schön, wenn man selbst genauso verliebt ist. Ich weiß, es ist ein bißchen früh, direkt nach der Scheidung wieder eine Beziehung einzugehen, aber . . .«
»Kelsey, ich bin nun wirklich die letzte, die ein Recht hat, Kritik an dir zu üben. Außerdem möchte ich dich darauf hinweisen, daß du dich schon vor zwei Jahren von Wade getrennt hast.«
»Trotzdem . . .« Kelsey schüttelte den Kopf. »Ich mache mir im nachhinein Vorwürfe, weil es mir nicht richtig erscheint.« Sie stocherte in ihrem Essen herum und hoffte, daß sie für ihre nächste Frage nicht den falschen Moment erwischt hatte. »Hast du Dad auch noch geliebt, als du schon getrennt von ihm gelebt hast? Ach, entschuldige bitte.« Unsicher schaute sie ihre Mutter an. »Jemand hat gestern etwas zu mir gesagt, das mir zu denken gibt. Wenn du lieber nicht antworten willst, verstehe ich das vollkommen.«
»Ich habe dir einmal gesagt, daß ich versuchen will, dir jede Frage zu beantworten.« Aber diesmal fiel es ihr schwer. Kelseys Frage riß eine alte Wunde wieder auf; eine, von der sie geglaubt hatte, daß sie längst vernarbt wäre. »Ja, ich habe ihn immer noch geliebt, noch eine lange, lange Zeit. Und diese Tatsache machte mich wütend, auf ihn und auf mich, deshalb war ich wild entschlossen, zu beweisen, daß mir die Trennung nichts ausmacht.«
»Hast du dich deswegen . . .«
»Ins wüste Partyleben gestürzt?« beendete Naomi die Frage. »Es genossen, mit anderen Männern zu flirten und ins Gerede zu kommen? Ja, zum Teil bestimmt. Um keinen Preis hätte ich zugegeben, versagt zu haben. Ich wollte Philip quälen, ihm schlaflose Nächte bereiten, ihn im Glauben zu lassen, ich würde meine Freiheit genießen. Und ich hatte zweifellos Erfolg damit, nur habe ich ihn durch mein Verhalten dazu getrieben, sich mehr und mehr von mir abzuwenden, bis ich das, was ich mir am meisten wünschte, nicht mehr haben konnte.«
»Du wolltest ihn zurückgewinnen?«
»Unbedingt. Ich war nur dumm und eingebildet genug zu glauben, ich könnte die Bedingungen diktieren.«
»Und Alec Bradley?« Kelsey merkte, wie Naomi zusammenzuckte, und zwang sich weiterzusprechen. »Hast du ihn auch dazu benutzt, Dad zu verletzen?«
Naomi ging von Kaffee zu Wasser über. »Er war so etwas wie die letzte Herausfoderung. Sein Familienstammbaum stand dem Philips in nichts nach, nur sein Ruf war schlecht.«
Die nächste Frage lag Kelsey wie ein Stein auf der Seele, doch sie mußte es wissen, deshalb sprach sie weiter: »Hast du seine Dienste in Anspruch genommen?«
Das Unbehagen verschwand aus Naomis Augen. »Wie bitte?« fragte sie verdutzt.
»Ich habe gehört, daß er sich für gewisse Tätigkeiten bezahlen ließ.« Kelsey spülte den schlechten Geschmack im Mund mit einem großen Schluck Kaffee hinunter. »Das ist sogar noch vorsichtig ausgedrückt.«
Naomi brach unverhofft in schallendes Gelächter aus. Das war die letzte Reaktion, die Kelsey erwartet hätte. »O jemine, was für ein Gedanke! Das allerletzte, was ich von Alex wollte, war käuflicher Sex.« Ihre Belustigung ließ merklich nach. »Wirklich das allerletzte.«
»Entschuldige, das war eine dumme Frage. Ich hab’ es eigentlich auch anders gemeint, ich dachte eher an Auftritte in der Öffentlichkeit als an private Dinge.«
»Nein, ich habe ihn nicht für seine Dienste bezahlt, obwohl ich ihm ein- oder zweimal Geld geliehen habe. Er hatte immer gerade ein Geschäft in Aussicht, verstehst du? Und immer war er gerade nicht flüssig. Vielleicht beeinflußt die Eitelkeit auch jetzt noch mein Erinnerungsvermögen, aber wenn ich mich recht entsinne, ist er mir nachgelaufen wie ein treuer Hund. Nicht, daß ich etwas dagegen gehabt hätte«, fügte sie hinzu und nahm sich eine Himbeere aus der Schüssel, »ich wollte und brauchte Aufmerksamkeit, Zuwendung und Bewunderung, und er konnte ausgesprochen charmant sein. Er machte dich glauben, du seiest für ihn die einzige Frau im Saal, obwohl du es eigentlich besser wußtest. Ich kannte
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