Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten ueber Innsmouth

Schatten ueber Innsmouth

Titel: Schatten ueber Innsmouth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
es ging, meine begonnene Lektüre fortzusetzen. Ich hielt es für ratsam, meine Gedanken mit normalen Dingen zu beschäftigen, denn es hätte nichts eingebracht, über die Abnormitäten dieser uralten, von einem Pesthauch überschatteten Stadt nachzugrübeln, solange ich mich noch in ihren Mauern befand. Die irrsinnigen Geschichten, die der betagte Säufer mir erzählt hatte, versprachen keine allzu angenehmen Träume, und ich spürte, daß ich die Erinnerung an seine wilden, wäßrigen Augen so gut wie möglich aus meinem Bewußtsein verdrängen mußte.
    Auch durfte ich nicht andauernd daran denken, was dieser Gewerbeinspektor dem Fahrkartenverkäufer in Newburyport über das Gilman und die Stimmen seiner nächtlichen Bewohner erzählt hatte genausowenig wie an das Gesicht unter der Tiara in der dunklen Kirchentür, jenes Gesicht, für dessen Abscheulichkeit ich noch immer keine plausible Erklärung gefunden hatte. Es wäre mir wahrscheinlich leichter gefallen, mich aller beunruhigenden Gedanken zu erwehren, wenn das Zimmer nicht so grauenhaft muffig gewesen wäre. So aber vermischte sich diese tödliche Muffigkeit auf schreckliche Weise mit dem allgegenwärtigen Fischgeruch der Stadt und ließ mich an nichts anderes als Tod und Verwesung denken.
    Was mich außerdem beunruhigte, war die Tatsache, daß die Tür zum Korridor keinen Riegel hatte. Es war früher einmal einer daran gewesen, was man noch deutlich sehen konnte, doch er mußte vor kurzem abmontiert worden sein. Zweifellos war er kaputt gewesen, wie so vieles andere auch in diesem baufälligen Gemäuer. In meiner Nervosität schaute ich mich im Zimmer um und entdeckte am Kleiderschrank einen Riegel, der nach den Spuren zu urteilen dieselbe Größe haben mußte, wie der, den man von der Zimmertür entfernt hatte. Um mich wenigstens für eine Weile abzulenken, beschäftigte ich mich damit, diesen Riegel loszumachen und an der Zimmertür anzuschrauben, wobei mir ein kleiner Schraubenzieher zustatten kam, den ich zusammen mit einem Dorn und einem Bohrer an meinem Schlüsselbund trug. Der Riegel paßte genau, und es beruhigte mich ein wenig, daß ich nun vor dem Zubettgehen die Tür sicher verriegeln konnte. Zwar befürchtete ich im Grunde nicht, daß dies nötig sein würde, aber ein solches Symbol der Sicherheit war in einer Umgebung wie dieser recht angenehm. Die Riegel an den beiden Verbindungstüren zu den angrenzenden Zimmern waren intakt, und ich schob sie auch sogleich vor. Ich zog mich nicht aus, sondern beschloß zu lesen, bis ich schläfrig würde, und mich dann nur meiner Jacke, des Kragens und der Schuhe zu entledigen. Ich nahm eine Taschenlampe aus meinem Koffer und steckte sie in die Hosentasche, um auf die Uhr schauen zu können, wenn ich später im Dunkeln aufwachen sollte. Doch es wollte sich keine Müdigkeit einstellen, und als ich einmal innehielt, um über das nachzudenken, was ich gerade gelesen hatte, wurde mir klar, daß ich die ganze Zeit unbewußt auf etwas gehorcht hatte etwas, das ich nicht definieren konnte, wovor ich aber trotzdem Angst hatte. Die Geschichte von diesem Inspektor mußte meine Phantasie doch mehr beschäftigen, als ich vermutet hatte. Ich versuchte weiterzulesen, kam aber nicht voran.
    Nach einer Weile glaubte ich zu hören, wie die Treppen und die Dielen auf dem Korridor unter Fußtritten knarrten, und ich fragte mich, ob wohl jetzt die anderen Gäste nach und nach ihre Zimmer aufsuchten. Ich hörte jedoch keine Stimmen, und es schien mir plötzlich, daß das Knarren etwas Verstohlenes hatte. Es war mir nicht geheuer, und ich ging mit mir zu Rate, ob ich überhaupt versuchen sollte zu schlafen. In dieser Stadt gab es sonderbare Leute, und es waren hier ohne Zweifel schon öfter Fremde verschwunden. War dies eine jener Herbergen, in denen die Gäste ihres Geldes wegen erschlagen werden? Aber ich sah gewiß nicht gerade wohlhabend aus. Oder nahmen es die Einheimischen wirklich so übel, wenn ein Ortsfremder sich in ihrer Stadt umsah? War ich bei meiner Stadtbesichtigung unangenehm aufgefallen, vielleicht weil ich so oft auf meine Karte gesehen hatte? Mir kam der Gedanke, daß es mit meiner nervlichen Verfassung nicht zum besten stehen konnte, wenn ich gleich so zu grübeln anfing, nur weil irgendwo ein paar Dielen geknarrt hatten aber ich bedauerte trotzdem, keine Waffe bei mir zu haben.
    Als ich schließlich Müdigkeit verspürte, ohne jedoch schläfrig zu sein, schob ich den neu angebrachten Riegel vor, machte das

Weitere Kostenlose Bücher