Schatten ueber Innsmouth
sich gab; was ich hörte, war nur schreckliches Gestöhn und Gegrunze und in unregelmäßigen Abständen ein gedämpftes Quaken.
Als ich die Möbel vor die Tür geschoben hatte und ans Fenster stürzte, hörte ich ein fürchterliches Getrappel in Richtung auf das Zimmer nördlich von mir, wogegen das Getrommel auf der Südseite verstummt war. Offenbar konzentrierten sich die meisten meiner Widersacher auf die schwache Verbindungstür, hinter der sie mich wußten. Draußen umspielte das Mondlicht den First des Daches unter mir, und ich erkannte, daß der Sprung verzweifelt riskant sein würde, wegen der starken Neigung der Fläche, auf der ich landen mußte.
Nach kurzem Überlegen wählte ich das südlichere der beiden Fenster als Fluchtweg; ich würde auf die Innenseite des Daches springen und dann zu der nächsten Dachluke kriechen. Sobald ich im Innern der baufälligen Gemäuer war, würde ich mit Verfolgung rechnen müssen; aber ich hoffte, es würde mir gelingen, das Erdgeschoß zu erreichen und den dunklen Hof zu überqueren, wobei ich mich immer wieder in einer der finsteren Türöffnungen würde verstecken können; sodann mußte ich mich zur Washington Street durchschlagen und in südliche Richtung schleichen. Das Gepolter an der nördlichen Verbindungstür war jetzt ohrenbetäubend, und ich sah, daß die schwache Türfüllung schon zu splittern begann. Offensichtlich benutzten die Belagerer jetzt einen schweren Gegenstand als Rammbock. Doch das Bettgestell hielt noch stand, so daß ich zumindest eine kleine Chance hatte, doch noch aus dem Hotel zu entkommen. Als ich das Fenster öffnete, bemerkte ich, daß es mit schweren Veloursvorhängen drapiert war, die an Messingringen von einer Gardinenstange herabhingen; außerdem war draußen an der Mauer ein solider Eisenhaken zur Befestigung des Fensterladens. Ich erkannte sogleich die Möglichkeit, den riskanten Sprung zu vermeiden, zerrte mit meinem ganzen Gewicht an den Vorhängen und holte sie mitsamt der Gardinenstange herunter; dann hängte ich rasch zwei von den Ringen in den Eisenhaken und schwenkte die Vorhänge nach draußen. Sie reichten bis auf das Dach hinunter, und ich vertraute darauf, daß die Ringe und der Haken mein Gewicht aushallen würden. Ich kletterte also aus dem Fenster, hangelte mich die improvisierte Strickleiter hinab und hatte damit das morbide, grauenerregende Gemäuer des Gilman House ein für allemal hinter mich gebracht.
Ich landete unversehrt auf den lockeren Ziegeln des steilen Daches und erreichte, ohne auszurutschen, die gähnend schwarze Dachluke. Als ich zu dem Fenster hinaufschaute, durch das ich entkommen war, sah ich, daß es noch immer dunkel war, doch weit hinter den zerbröckelnden Kaminen im Norden sah ich ominös flackernde Lichter hinter den Fenstern der Halle des Ordens von Dagon, der Baptistenkirche und der Kirche der freien Gemeinde, an die ich mit Schaudern zurückdachte. Im Hof war dem Anschein nach niemand gewesen, und ich hoffte, ich würde entkommen können, bevor allgemeiner Alarm gegeben wurde. Ich leuchtete mit der Taschenlampe in die Dachluke hinab und sah, daß keine Treppe da war. Die Höhe war jedoch gering, deshalb stieg ich in die Luke und ließ mich fallen; ich landete auf einem staubbedeckten Fußboden, auf dem vermodernde Kisten und Fässer herumstanden.
Es war ein gespenstischer Ort, aber auf solche Eindrücke konnte ich jetzt nicht mehr achten; nach einem hastigen Blick auf meine Uhr es war zwei Uhr morgens kletterte ich gleich die Treppe hinunter, die ich im Licht meiner Taschenlampe entdeckt hatte. Die Stufen knarrten, schienen aber noch hinlänglich stabil. An einem scheunenartigen zweiten Stockwerk vorbei stieg ich hastig bis ins Erdgeschoß hinab. Ringsum regte sich nichts, und das einzige Geräusch war der Widerhall meiner eigenen Schritte. Schließlich gelangte ich in eine niedrigere Halle, an deren einem Ende ich ein schwach erleuchtetes Rechteck wahrnahm, bei dem es sich um die abbröckelnde Türöffnung zur Paine Street handeln mußte. Ich ging in die andere Richtung, fand auch die Hintertür offen, hastete hinaus und gelangte über fünf Steinstufen hinunter auf das grasüberwucherte Pflaster des Hofes.
Der Mond stand hinter den Häusern, doch ich fand mich trotzdem auch ohne die Taschenlampe zurecht. Einige Fenster auf der Seite des Hotels waren schwach erhellt, und ich glaubte, drinnen ein Stimmengewirr zu hören. Ich schlich mich auf der Seite der Washington Street hinüber,
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