Schatten ueber Innsmouth
entdeckte mehrere offene Türen und entschied mich für die nächstliegende. Drinnen war es stockfinster, und als ich am anderen Ende des Ganges angelangt war, fand ich die Tür zur Straße fest verschlossen. In der Absicht, es mit einem anderen Gebäude zu versuchen, tappte ich im Dunkeln wieder zurück, blieb aber kurz vor der Tür zum Hof wie angewurzelt stehen. Denn aus einer Tür des Hotels Gilman strömten scharenweise dubiose Gestalten hervor Laternen tanzten in der Dunkelheit, und ich hörte Zurufe in fürchterlich quakenden Stimmen und einer Sprache, die ganz bestimmt nicht Englisch war. Die Gestalten liefen unschlüssig hierhin und dorthin, und ich merkte zu meiner Erleichterung, daß sie nicht wußten, wohin ich entkommen war;
doch ich schauderte trotzdem am ganzen Körper. Ihre Umrisse waren nicht zu erkennen, aber ihr gebückter, watschelnder Gang war unbeschreiblich widerwärtig. Und was das Schlimmste war -eine der Gestalten war in eine eigenartige Robe gehüllt und trug auf dem Kopf eine Tiara, deren Form mir nur allzu bekannt vorkam. Während die Gestalten nach und nach über den ganzen Hof ausschwärmten, spürte ich, wie meine Angst wuchs. Wenn ich nun keinen Durchgang zur Straße entdeckte? Der Fischgestank war ekelerregend, und ich fragte mich, wie lange ich ihn noch ertragen würde, ohne die Besinnung zu verlieren. Vorsichtig zog ich mich wieder zurück, fand in einer Seitenwand eine offene Tür und gelangte in einen leeren Raum mit Fenstern, die keine Scheiben mehr hatten, aber fest mit Läden verschlossen waren. Ich rüttelte im Schein meiner Taschenlampe an einem der Läden und es gelang mir, ihn aufzustoßen. Einen Augenblick später war ich hinausgeklettert und hatte die Öffnung hinter mir wieder sorgfältig verschlossen.
Ich stand auf der Washington Street und sah zunächst kein lebendes Wesen und kein Licht außer dem des Mondes. In der Ferne konnte ich jedoch aus mehreren Richtungen krächzende Stimmen hören, begleitet von dem Geräusch vieler Schritte und einem sonderbaren Trappeln, das auf keinen Fall von menschlichen Füßen herrühren konnte. Es war klar, daß ich keine Zeit zu verlieren hatte. Die
Himmelsrichtungen waren mir bekannt, und ich war froh, daß die Straßenlampen alle ausgeschaltet waren, wie es in ärmeren ländlichen Gemeinden in mondhellen Nächten oft der Brauch ist. Manche der Geräusche kamen von Süden, doch ich blieb bei meinem Entschluß, in dieser Richtung aus der Stadt zu fliehen. Ich wußte, daß ich genügend finstere Hauseingänge finden würde, in denen ich mich verstecken konnte, falls mir irgendeine Gestalt oder mehrere Gestalten über den Weg liefen, die wie Verfolger aussahen.
Ich ging rasch, leise und immer an den verfallenen Häusern entlang. Ohne Hut und zerzaust wie ich seit der anstrengenden Hangelei war, würde ich wohl kein sonderliches Aufsehen erregen und hatte gute Aussichten, unbeachtet zu entkommen, falls mir zufällig jemand über den Weg lief. Auf der Höhe der Bates Street versteckte ich mich in einem offenen Vorhof, als vor mir zwei watschelnde Gestalten über die Straße gingen, aber gleich darauf setzte ich meinen Weg fort und näherte mich dem offenen Platz, wo an der Kreuzung mit der South Street die Eliot Street in spitzem Winkel die Washington Street schneidet. Obwohl ich diesen Platz nie zuvor gesehen hatte, wußte ich von meiner Kartenskizze her, daß er mir gefährlich werden konnte, weil er im vollen Mondschein daliegen mußte. Es hätte keinen Sinn gehabt, ihn zu umgehen, weil jede andere mögliche Route Umwege bedeutet hätte, die zu Verzögerungen oder gar zur Entdeckung geführt hätten. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mit dreister Unbekümmertheit den Platz zu überqueren, den typischen Gang der Einheimischen so gut ich konnte zu imitieren und darauf zu hoffen, daß niemand oder zumindest keiner meiner Verfolger mir in die Quere kommen würde. Wie gut die Verfolgungsjagd organisiert war und welchen Zweck man überhaupt damit verfolgte, davon konnte ich mir kein Bild machen. Die Stadt schien von außerordentlicher Unruhe erfüllt, aber ich nahm an, daß die Nachricht von meiner Flucht aus dem Hotel sich noch nicht herumgesprochen hatte. Ich würde natürlich über kurz oder lang von der Washington Street auf eine andere nach Süden führende Straße überwechseln müssen, denn diese Gestalten aus dem Hotel würden mir bald auf den Fersen sein. Sicherlich hatten sie an den Spuren, die ich im Staub des letzten
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