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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Darüber hinaus ist er kein Theoretiker. Er äußert
sich nicht gern über die Musik. Er erschafft sie einfach. Aber wir schätzen uns
glücklich, seinen Sohn hier zu haben und dazu einen seiner hervorragendsten
Schüler – Herrn Mizler. Ich habe ihn gebeten, mich bei meiner Suche nach
Musikern, die zu meinem Kreis passen könnten, zu unterstützen.«
    Es gab also
tatsächlich einen Musikerkreis. Einen, der sich mit der strengen Kunst des
Kontrapunkts und der Harmonie befasste. Offenbar suchte Amalia nicht nur einen
Lehrer, sondern wollte auch eine eigene Hofkapelle zusammenstellen, um Werke in
diesem Stil aufzuführen.
    »Es ist gut, dass
Sie gekommen sind, Herr Quantz«, sagte die Prinzessin. »Heute haben wir vor,
die Sonate zu probieren, die Sie in dem Heft gesehen haben. Es wäre wunderbar,
wenn Sie uns die Ehre geben und den Flötenpart übernehmen.«
    Quantz durchzuckte
ein leichter Schreck. Soweit er es gesehen hatte, war der Flötenpart nicht
leicht. Doch er durfte sich nichts anmerken lassen, denn er hatte einen Ruf zu
verlieren. Quantz galt nach wie vor als Erster Flötist in Preußen.
    »Es ist mir eine
Ehre, Majestät«, sagte er. »Aber wo nehmen wir ein Instrument her?«
    »Ich selbst besitze
eine Flöte von Ihnen, Herr Quantz. Mein Bruder hat sie mir einst geschenkt.
Vielleicht erinnern Sie sich?« Die Prinzessin hatte Flöte gespielt, bevor sie
sich mehr für das Cembalospiel zu interessieren begonnen hatte. Jedoch war sie
über die Anfangsgründe nicht hinausgekommen. »Ich habe das Instrument bereits
holen lassen.«
    In diesem Augenblick
trat einer der Lakaien mit einem hölzernen Kasten zu ihnen und reichte ihn auf
Amalias Wink Quantz. »Herr Graun wird den Violinpart übernehmen, Herr Bach das
Cembalo, Herr Mara den Bass. Ich bitte nun darum, zu beginnen.«
    Bach und Graun
traten vor, Quantz nahm die Flöte aus dem Kästchen baute sie zusammen. Graun
hatte seine Violine in der Hand, wahrscheinlich wusste er, was kam, und hatte
sich vorbereitet. Bach saß schon vor der Tastatur.
    Die Prinzessin nahm
in dem Sessel Platz, erst dann setzten sich alle anderen Besucher. Es waren
bestimmt zwanzig oder dreißig. In der vordersten Reihe saß Graf Keyserlingk.
    Bach legte die Noten
zurecht. Es gab keine Kopie des Werkes, auch hatte niemand die Einzelstimmen
herausgeschrieben. Quantz und Graun standen auf je einer Seite hinter dem
Cembalisten und mussten ihre Noten aus der Partitur heraus entziffern. Kein
leichtes Unterfangen, vor allem nicht bei einem so komplizierten Werk.
    Quantz setzte die
Flöte an. Etwas hemmte ihn an der freien Bewegung. Es war das Notenkonvolut von
Andreas, das immer noch in seiner Innentasche steckte. Er griff in seine Jacke
und legte die Blätter auf den Flügel.
    Quantz nickte Bach
kurz zu, und sie fingen an zu spielen. Der erste Satz war ein Largo mit
hingetupften Cembaloakkorden unter ineinander verflochtenen melodischen Ranken,
bei denen der Komponist der Solovioline, also Graun, den Vortritt ließ. Die
Flöte setzte zwei Takte später ein.
    Während sich Quantz
bemühte, die weiten und – wie er gestehen musste – äußerst phantasievollen
Melodiebögen richtig wiederzugeben, kam ihm in den Sinn, dass sich Johann
Sebastian Bach mit diesem Beginn für die Solovioline einen Affront geleistet
hatte. Wenn es nicht gerade um Konzerte ging, in denen das Orchester mit seinem
Vorspiel dem König eine Bühne schuf, hätte man eigentlich mit der Flötenstimme
beginnen müssen.
    War das der Grund,
warum Seine Majestät das Werk, obwohl es ihm gewidmet war, nicht angenommen
hatte? Vielleicht. Aber es war sicher eine Sache der Musikanschauung. Der
kontrapunktische Stil behagte Friedrich nicht. Aus dem Stegreif an besagtem
Kammermusikabend eine Fuge zu improvisieren, wäre eine kleine Sensation
gewesen, die einen ansonsten unterhaltsamen Abend etwas aufgewertet hätte. Was
der Komponist in seiner Schreibstube daraus machte, interessierte den Monarchen
nicht mehr.
    Quantz musste sich
konzentrieren, um den verschlungenen Wegen, die seine Flötenstimme durch die
Sonate nahm, folgen zu können. Das hier war etwas vollkommen anderes als seine
Konzerte, die auf den reinen vordergründigen Effekt hin geschrieben wurden. Für
Bach war ein musikalisches Thema nicht einfach eine schöne Melodie, die man
immer wieder im Laufe des Werkes aufscheinen ließ, sondern etwas, über das man
mit musikalischen Mitteln diskutierte. Jede Gegenstimme, die Bach hinzusetzte,
war ein geistreicher Kommentar, jede

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