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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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anderen Musiker im Stadtschloss treiben.«
    »Und? Ist es Ihnen
gelungen?«
    »Allerdings.«
    Quantz berichtete
alles, was er erlebt hatte. »Auf dem Heimweg war ich euphorisch. Stellen Sie sich
vor: Andreas hat eine Kompositionsmaschine erfunden. Damit bin ich all meine
schöpferischen Sorgen los.«
    La Mettrie lächelte.
»Herr Quantz, fällt Ihnen eigentlich nicht auf, wie paradox Sie sich
verhalten?«
    »Wie meinen Sie
das?«
    »Sie haben
tatsächlich ein Problem als Komponist. Ihnen fällt nichts mehr ein. Die ewigen
Konzerte für den König, alle nach demselben Strickmuster. Da muss eines Tages
die Originalität auf der Strecke bleiben. In dieser Situation bemerken Sie,
dass ich meine Phantasie scheinbar ab und zu ein wenig mit Opium anrege, und
Sie tun es mir nach. Das Ergebnis ist ein äußerst peinlicher Auftritt beim
König. Danach versuchen Sie es umgekehrt. Anstatt sich emotional zu lockern,
glauben Sie nun, man könne mit rein mathematischen Methoden Ihrem Problem zu
Leibe rücken. Sind Sie sicher, dass das funktioniert? Wird Ihnen das
Komponieren mit den Tabellen nicht auch irgendwann über sein und Ihnen nur noch
als lästige Pflicht erscheinen? Und ist das, was Sie auf diese Weise zustande
bringen, überhaupt noch Kunst?«
    Quantz überlegte.
Der Franzose hatte recht, doch es ging nicht um die Frage, ob er Kunst
produzierte. »Ich habe einen Dienst zu erfüllen, Herr La Mettrie. Der König –«
    »Sie sollten mutiger
sein, Herr Quantz, und nicht immer nur auf die Erfordernisse des Dienstes
schielen, ehe Sie sich ans Notenpapier setzen. Sie waren doch einmal jung.
Damals haben Sie davon geträumt, Musiker zu werden. Sie wollten komponieren.
Aber haben Sie sich in Ihren Träumen als Mathematiker gesehen, der Noten aus
Tabellen herausschreibt und sich dann freut, wenn sie gut zusammen klingen?
Oder als jemand, der im Opiumrausch dahinvegetiert?«
    »Dahinvegetiert?
Aber Sie selbst nehmen Opium …«
    »Und es bekommt mir
oft nicht. Es hat auch eine zerstörerische Seite. Ich vertrage es nicht. Vor
allem nicht mit Alkohol und fetten Speisen. Aber ich bin in einer Verfassung,
in der ich nicht mehr darauf verzichten kann. Das macht mir manchmal Angst.«
    »Sie haben Angst?«,
rief Quantz überrascht. »Ich habe Ihren Mut bewundert, Ihre Freiheit …«
    »Ja, ich habe oft
Angst. Und auch wenn ich als Verteidiger des Glücks gelte, bin ich nicht immer
fröhlich. Verstehen Sie denn nicht, Herr Quantz? Letztlich geht es doch um
nichts anderes, als sich selbst zu finden und sich selbst in seiner Kunst
darzustellen.«
    »Ich dachte, es
ginge darum, den König zu verherrlichen?«
    »Ja, darum geht es
auch. Weil er uns am Leben erhält. Aber darum geht es eben nicht nur . Und in Wirklichkeit geht es darum nur zu einem kleinen
Teil.«
    Quantz wusste nicht,
was er sagen sollte. Dass La Mettrie jedes Gespräch so schnell ins
Philosophische drängte, strengte ihn an. »Wie schätzen Sie die Andeutungen ein,
die Graf Keyserlingk in der Kutsche gemacht hat?«, fragte er.
    Der Franzose wiegte
den Kopf hin und her. »Ich finde, er hat recht. Was er vermutet, ist letztlich
eine gute Erklärung für alles. Musik als Chiffre. Als Geheimschrift … Das
ist es doch, worauf er anspielte, oder?«
    »Und der König
verwendet Chiffren«, sagte Quantz. »Das ist bekannt.«
    »Natürlich. Er
benutzt die sogenannte Vigenère-Methode. Sie ist sehr einfach und sehr
effektiv. Man legt ein Codewort fest, das man für die Verschlüsselung lückenlos
hintereinanderweg unter den zu chiffrierenden Text schreibt. Dann zählt man die
Anzahl der Alphabetstellen des Codewortes zum Text hinzu und erhält jeweils
einen neuen Buchstaben. Verstehen Sie?«
    »Nicht so ganz«, gab
Quantz zu.
    »Nehmen wir an, zu
verschlüsseln wäre ein K. Ihr Geheimwort zeigt an derselben Stelle ein Z.
Z steht an letzter Stelle des Alphabets. Aus K wird der Buchstabe,
der von dort aus an letzter Stelle steht. Also J. Nehmen wir an, im klaren
Text stünde T und das Codewort zeige an der Stelle ein B, den zweiten
Buchstaben des Alphabets, so würde aus dem T ein U, weil das der
zweite Buchstabe nach dem T wäre. Niemand außer den Eingeweihten kennt das
Lösungswort, niemand weiß, wie lang es ist und ob es in sich überhaupt einen
Sinn ergibt, was ja keine Rolle spielt. So ist die Methode ziemlich sicher.
Vorausgesetzt, niemand verrät das Geheimwort. Denn dies schließt alles auf –
Texte von riesiger Länge. Ganze Schlachtpläne. Ich habe aber noch nie

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