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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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die Antworten auf die
Fragen schon kennen, aber manchmal habe ich den Eindruck, sie trauen ihrer
eigenen Gelehrtheit nicht. Und was ist die dann schon wert?«
    Johannes nickte.
»Jedenfalls habe ich dafür gesorgt, dass uns die Zeit heute nicht so sauer
wird.« Er zog eine kleine Flasche aus der Tasche und öffnete sie. Sofort
breitete sich in der kleinen Dachstube der Geruch von Weinbrand aus.
    »Wo hast du die
her?«
    Der junge Kilian
nahm einen Schluck. »Aus der Schlossküche. Man muss sich eben mit der Mamsell
gut stellen.«
    »Gib schon her.«
    Michael trank
ebenfalls und genoss das brennende Gefühl im Hals. Dann senkte er die Flasche.
»Verdammt, was ist da los?«, knurrte er. Der Franzose stand vor dem Fenster im
oberen Stockwerk des Hauses gegenüber und starrte herüber. Der alte Kilian
hätte schwören können, dass der Kammerherr ihnen direkt ins Gesicht blickte. Er
schien genau zu wissen, dass sie beide hier waren.
    »Die Flasche«, rief
Michael. »Er hat sie gesehen. Ein Widerschein oder so was …« Er wollte vom
Fenster wegzucken, doch Johannes legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ganz
ruhig. Er kann uns nicht sehen. Jedenfalls nicht, solange du dich nicht rührst
und irgendetwas anderes aufblinkt oder sichtbar wird. Nicht bewegen.«
    Der Kammerherr
wandte sich wieder vom Fenster ab und redete weiter mit dem Kammermusikus. Die
Unterhaltung schien weiterzugehen wie zuvor, doch dann geschah etwas Seltsames:
Die beiden Männer verließen die Stube. Kurz darauf traten sie unten durch die
Haustür auf die Straße und sahen sich um.
    Der Franzose nahm
eine der Linden in Augenschein, die an der Kante des Kanals wuchs und deren
Krone bis hinauf zum ersten Stock von Quantz’ Haus reichte.
    »Was will der jetzt
machen?«, fragte Johannes. »Hinaufklettern?«
    »Bei den Gelehrten
muss man auf alles gefasst sein. Kann sein, dass er dem Musikmeister die
Effekte der Schwerkraft vorführt.«
    »Schwerkraft? Was
ist das denn?«
    »Ach, das verstehst
du nicht. Es ist was Wissenschaftliches.«
    »Wahrscheinlich
irgendwas, das kein Mensch braucht.«
    So schnell die
beiden unten erschienen waren, so plötzlich entschieden sie sich, wieder ins
Haus zu gehen. Diesmal dauerte es etwas länger, bis sie in Quantz’ Stube
auftauchten.
    Johannes nutzte die
Gelegenheit und nahm noch einen Schluck aus der Flasche.
    Die Unterhaltung
ging weiter. Der Kammerherr setzte sich gar nicht erst, sondern lief im Raum
herum. Quantz machte eine abwehrende Bewegung. La Mettrie reagierte mit
erneutem Händeringen.
    »Ich glaube, die
geraten in Streit«, sagte Johannes.
    Tatsächlich: In
diesem Moment schlug Monsieur La Mettrie Quantz vor die Brust. Es sah
lächerlich aus, denn der Franzose war viel kleiner als der Musiker. Trotzdem
musste der Schlag ziemlich stark gewesen sein, denn Quantz kam ins Straucheln.
Einen Moment schien er zu zögern, dann ballte er die Faust und versuchte
zurückzuschlagen, doch der Kammerherr wich aus.
    »Nennen die das
disputieren?«, sagte Johannes. »Ich nenne das eine Schlägerei. Ich dachte,
diese Leute seien besser mit Worten als mit Fäusten. Oder hat das wieder
irgendwas mit dieser Schwerkraft zu tun?«
    Die beiden Männer
drüben waren im hinteren Bereich des Raumes verschwunden und nur noch schlecht
zu erkennen. Für einen Moment sah es aus, als würde sich die Tür öffnen, denn
ein dunkles Viereck erschien, durch das jemand hindurchschritt.
    Kurz darauf ging die
Haustür auf. La Mettrie, die Nase hoch erhoben, schritt die Stufen auf die
Straße hinunter, stolzierte wie ein Hahn ein Stück vom Haus weg, drehte sich um
und brüllte nach oben: »Ich wusste es, Monsieur! Sie sind nicht nur ein Kretin,
sondern auch, was noch schlimmer ist, ein Verräter. Ich möchte mit Ihnen nichts
mehr zu tun haben. Ich verlasse Ihr Haus im Bewusstsein eines reinen Gewissens.«
    Oben am Fenster,
wohin die Worte gerichtet waren, rührte sich nichts.
    »Ich wusste, dass
ich von Ihnen nichts anderes zu erwarten habe als Unverschämtheiten«, brüllte
der Franzose weiter. »Mich sehen Sie nicht wieder, mein Herr. Ich breche
hiermit jeden Umgang mit Ihnen ab.«
    Passanten waren
stehen geblieben und sahen La Mettrie bei seiner Schimpftirade zu.
    »Dafür, dass er mit
dem Herrn Musikmeister nichts mehr zu tun haben will, hält er sich aber lange
vor seinem Haus auf«, sagte der alte Kilian.
    Johannes nickte.
»Die Franzosen haben Sinn für Theatralik. Vielleicht nicht ganz so viel wie die
Italiener, aber für eine gute

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