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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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verlangte. Quantz würde neue Konzerte
komponieren, seine Musik würde an Glanz alles übertreffen, was er bisher
geschrieben hatte. Er würde mehr Tiefe in seine Kompositionen legen. Andreas’
Kompositionsmaschine sei Dank.
    Was mit dem Lakaien
geschehen war, musste Weyhe herausfinden. Und Quantz, getragen von den guten
Gedanken, hoffte, dass der mysteriöse Fall eine Lösung finden würde.
    La Mettrie musste
Weyhe sagen, dass es sich bei der Leiche, die Eller untersucht hatte, nicht um
Andreas handelte. Das Wort eines Kammerherrn hatte Gewicht.
    Der Verdacht der
Spionage, die seltsame Idee von Graf Keyserlingk, hatte zwar während der
Unterhaltung überzeugend geklungen, aber nun, im hellen Licht des Tages,
verblasste sie wie eine vage Erinnerung. Was hatte denn Quantz mit dem Feind in
Habsburg zu tun? Da war doch die Kompositionsmaschine etwas viel Wertvolleres.
Etwas, mit dem man wirklich etwas anfangen konnte.
    Wahrscheinlich war
Andreas deshalb entführt worden. Weil er in der Lage war, solche Dinge zu
erfinden. Und wenn die Habsburger dahintersteckten, brauchten sie vielleicht
ein solches Genie, um ihre Hofmusik in Wien voranzubringen …
    La Mettrie und er
mussten zum König. Seine Majestät musste Weyhe hinzuziehen. Alles würde zur
Sprache kommen. Er, Quantz, war unschuldig. Er würde die schönsten Konzerte der
Welt schreiben, und es würden wieder herrliche, glänzende Kammerkonzerte im
Schloss stattfinden.
    Der Kutscher fuhr
davon. Quantz hatte nur eine kleine Tasche dabei. Nicht nötig, dass er sich die
hineintragen ließ.
    Glanz, dachte
Quantz. Glanz – Quantz .
    Ein schöner Reim.
    Und plötzlich
regnete es Töne auf ihn herab, Motive begannen ihn zu umflattern wie
Schmetterlinge. Die Melodien kamen zurück.
    Welch eine
Erleichterung. Welche Wonne, wenn die künstlerische Schaffenskraft
wiederkehrte. Es war, als sei er neu geboren.
    Er wollte klopfen,
damit Sophie ihm öffnete, doch die Tür war nur angelehnt. Nanu? Quantz schritt
in den Flur.
    »Sophie?«, rief er.
    Keine Antwort.
    Weiter hinten, wo
die Treppe links hinaufführte, stand die Tür in den kleinen Garten offen. Dort
zog Sophie ein wenig Gemüse, doch nichts bewegte sich zwischen den Beeten.
Dafür lagen mehrere Gegenstände auf dem Gehweg – gleich unter dem Fenster des
Raumes, wo Quantz seine Flöten baute. Die Tür stand weit offen.
    Er stellte die
Tasche ab und betrat die Werkstatt. Als er auf die Drehbank zuging, traf sein
Fuß auf etwas. Eine Kantel kollerte zur Seite. Auf dem Boden lagen die Flöten
herum, an denen er gerade arbeitete. Eine war zersplittert. Seine Werkzeuge,
die Räumer, lagen nicht an ihrem Platz. Quantz sah durch das offene Fenster
hinaus in den Garten. Dort lagen sie, man hatte sie einfach hinausgeworfen.
    Er eilte die Treppe
hinauf. Auch hier waren die Eindringlinge gewesen. Auf dem Boden der
Studierstube lagen Noten und Bücher wild verstreut, der Sessel war umgekippt.
Das Stehpult stand noch an seinem Platz, aber alle Schubladen waren
herausgezogen.
    »Sophie«, rief
Quantz. »Bist du da?« Er lauschte.
    Nichts.
    Quantz ging durch
jeden Raum, jede Kammer.
    Wer auch immer die
Wohnung durchsucht hatte, er war überall gewesen, auch im Schlafzimmer, in der
Küche. Quantz ging noch einmal die Treppe hinunter, inspizierte die nun
verwaiste Unterkunft der Soldaten, kehrte dann nach oben zurück und setzte sich
schließlich auf sein Bett. Im selben Moment öffnete sich leise knarrend die
Schranktür, und Sophie wurde sichtbar. Sie kauerte im Schrank wie eine Puppe,
die Augen geschlossen.
    »Sie hat keine
ernsthaften Verletzungen davongetragen«, sagte La Mettrie. »Jedenfalls keine
körperlichen. Es war eine Art Schock. Aber gut, dass Sie mich gleich geholt
haben. Sie sind in Berlin gewesen, sagen Sie?«
    Sophie lag auf dem
Bett. Ihr Gesicht war blass wie das einer Toten. Noch immer spürte Quantz den
Schrecken, der ihn überwältigte, als er sie gefunden hatte. Ihm war sofort klar
gewesen, dass Sophie ärztliche Hilfe brauchte. Nur wenige Sekunden hatte er
überlegt, und dann war ihm in einem plötzlichen Zustand absoluter Klarheit
eingefallen, dass ja im nahen Gasthof ein Leibarzt des Königs residierte. Der
hoffentlich gerade nicht im Alkohol- oder Opiumrausch versunken und daher
ansprechbar war.
    Quantz war
losgelaufen, hatte in der »Goldenen Krone« zwei Stufen der Treppe auf einmal
genommen und an La Mettries Tür gehämmert. Der Kammerherr hatte, indigniert
über die Störung, geöffnet und war dann

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