Schatten über Sanssouci
gehört,
dass Musik beim Chiffrieren eine Rolle spielt.«
»Und auch wenn«,
sagte Quantz. »Stellen Sie sich vor, Sie wollen Buchstaben durch Notenzeichen
ersetzen. Manche Buchstaben sind ja direkt als Noten darstellbar, von A bis zum H.
Aber was machen Sie mit all den anderen Buchstaben? Und es käme ein weiteres Problem
hinzu: Es ergäbe nämlich keinen Sinn. Nehmen wir an, wir würden den Buchstaben
von A bis H die zugehörigen Noten und von I bis Z andere
musikalische Zeichen zuordnen, Halbtöne oder Pausen zum Beispiel. Und wir
hätten dann ein Wort wie … sagen wir Friedrich .
Würde man das als Noten verschlüsselt hinschreiben, würde das Ergebnis zwar wie
Musik aussehen, aber jeder, der sich in der Tonkunst ein wenig auskennt, würde
sofort erkennen, dass es musikalisch gesehen Unsinn ist. Weil es schlecht klingt.
Und es wäre auch nutzlos, die Buchstaben mit anderen Zeichen zu versehen. Das
Problem bliebe dasselbe.«
»Ich verstehe«,
sagte La Mettrie. »Zeigen Sie mir doch die Tabellen, die in Berlin für solches
Aufsehen gesorgt haben –«
Quantz legte die
Papiere auf das Pult. »Sie glauben, das hier sei so eine Chiffriermethode? Ich
glaube nicht. Es wäre ja noch komplizierter«, fuhr er fort, »wenn diese
Unterlagen eine Kompositionsmaschine und eine
Grundlage für Chiffrierungen wären. Beides in einem, das kann ich mir nicht
vorstellen.«
La Mettrie ließ
seinen Blick über die Notenzeichen schweifen. »Solche Begabungen, wie Andreas
zweifellos eine besitzt, kommen immer wieder vor. Sie sind angeboren und gehen
oft mit einem eigenartigen Verhalten einher, das die Umgebung als Idiotie
abtut. Ich denke, dies hier, wie auch die kleinen kombinatorischen Auflistungen
bei Ihrer Themensuche, war für Andreas nur Spielerei. Auch die Diebstähle der
königlichen Noten. Es kann sein, dass die Einbrecher diese Notierungen hier
suchten. Doch es kann auch sein …« La Mettrie schloss die Augen, legte die Hand
ans Kinn und schwieg einen Moment. So konzentriert hatte Quantz den Franzosen
noch nicht erlebt. »Andreas hatte Angewohnheiten«, sagte er und öffnete die
Augen wieder.
»Angewohnheiten? Ja,
mir aufzulauern. Noten zu schreiben. Sich seltsam zu verhalten.«
»Das meine ich
nicht. Dass er Leuten auflauerte, die ihn interessierten, habe ich auch erlebt.
Der Junge war oft bei mir. Er musste mir immer die Einladungen vom König bringen.
So wie er bei Ihnen Noten geschrieben hat, befasste er sich bei mir mit der
französischen Sprache. Ich habe ihm sogar ein bisschen Französisch
beigebracht.«
»Warum haben Sie mir
das nie gesagt?«
»Ich sah keinen
Anlass dafür. Wer weiß, wo sich Andreas noch herumgetrieben hat …«
Quantz schüttelte
den leichten Stich von Eifersucht ab, den ihm diese Nachricht versetzt hatte.
Er musste sich
eingestehen, dass er es genossen hatte, von Andreas heimlich besucht zu werden,
er wusste selbst nicht, warum. Dann fiel ihm auf, dass der Franzose etwas
Bestimmtes hatte sagen wollen, aber wieder einmal kompliziert ausgeholt hatte.
»Worauf wollen Sie nun hinaus?«, fragte er.
La Mettrie stand
auf. »Wenn Andreas mich nicht vorfand, hatte er eine besondere Art, Botschaften
für mich zu hinterlassen. War es bei Ihnen vielleicht genauso?«
»Was meinen Sie?«,
fragte Quantz.
Der Kammerherr
strebte der Tür zu. »Lassen Sie uns hinuntergehen. Ich zeige es Ihnen.«
Quantz folgte ihm
bis auf die Straße. Hier blieb La Mettrie stehen und schien sich das Mauerwerk
des Hauses genau anzusehen. Er bückte sich und untersuchte sogar die
Treppenstufen.
»Was tun Sie denn
da?« Quantz blickte die Straße hinab. Wenn der Franzose so weitermachte, würden
sie Aufsehen erregen.
»Also hier ist
nichts«, sagte La Mettrie. Er legte den Kopf in den Nacken und blickte an dem
Baum hoch, der auf der Höhe von Quantz’ Haus am Kanal stand. Seine Krone
überragte die Straße und reichte bis an die Fenster von Quantz’ Arbeitszimmer
heran.
»Manchmal«, sagte
Quantz, »ist Andreas dort hinaufgeklettert und hat mich am Fenster zu Tode
erschreckt. Er war ein guter Kletterer.«
La Mettrie kniff die
Augen zusammen. Dann nickte er, als sei ihm eine Erkenntnis gekommen. »Wir
müssen wieder hinauf«, sagte er. »Kommen Sie.«
Als sie im Flur am
Fuß der Treppe waren, hielt La Mettrie an und drehte sich um. »Dieser kleine
Rat aus Berlin, dieser Weyhe – hat er jemals eine Andeutung gemacht, dass er
Sie überwachen lässt?«
»Das war nicht
nötig. Der König hat ihm ja freie Hand
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