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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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sofort mitgekommen. Zum Glück war er
nüchtern – und wenn berauscht, dann von den Gefilden der eigenen Phantasie, der
er sich schreibend hingegeben hatte. Jedenfalls hatte Quantz das daraus
geschlossen, dass La Mettrie gerade eine Feder in der von Tinte verschmierten
Hand gehalten hatte.
    »Sie braucht nichts
als Ruhe«, sagte der Franzose. »Wenn sie zu sich kommt, sollte man ihr etwas
Kräftigendes zu trinken geben.«
    »Sie meinen … Ihr
Wundermittel?«
    »Das wäre das Beste.
Es lässt den Körper ruhen, und in der Ruhe findet er selbst zu seiner Heilung.
Der Mensch ist eine perfekte Maschine. Das haben Sie bestimmt schon einmal
gehört.« Er lächelte verschmitzt.
    »Durchaus. Aber so
perfekt auch wieder nicht, wenn man all die Kranken und Siechen betrachtet und
sie mit den Menschen vergleicht, die bis ins hohe Alter bei Kräften bleiben.«
    »Wir unterscheiden
uns eben, lieber Maître de Musique. Der Mensch ist ein Individuum, und jeder
ist einmalig. So hegt ein jeder andere Wünsche, hat andere Bedürfnisse und
mitunter ganz besondere Fähigkeiten. Womit wir wieder beim Thema wären. Jemand
hat ganz offensichtlich Ihre Abwesenheit ausgenutzt. Die Frage ist nur, wer.«
    Quantz seufzte. »Das
ist doch gleichgültig. Irgendwelche Diebe. Eigentlich seltsam … Einbrüche
geschehen in Potsdam selten, die Stadt ist viel zu gut bewacht. Welcher Räuber
traut sich schon in die Häuser, wenn jeden Moment eine Patrouille vorbeikommen
kann?«
    La Mettrie nickte
nachdenklich. »Ganz genau, Herr Quantz. Mit dieser Überlegung haben Sie ins
Schwarze getroffen. Es geschieht selten. Praktisch nie. Die Soldaten bewachen
die Stadt. Ein Räuber müsste die Soldaten auf seiner Seite haben, damit sie in
der Stunde, in der er sich ein Haus vornimmt, nicht genau in dieser Straße
patrouillieren.«
    Quantz sah
erschrocken auf. »Sie glauben, der Einbrecher hat mit den Soldaten gemeinsame
Sache gemacht? Sie bestochen?«
    »Sehen Sie denn die
Zusammenhänge immer noch nicht? Hier ist jemand in der Lage, Soldaten zur
Flucht zu verhelfen. Damit lässt sich doch schon einiges erreichen. Eine kleine
Gefälligkeit sicherlich.«
    »Gut, das mag sein.
Und nun auch dieser Einbruch … Aber warum? Was soll das alles?«
    »Versuchen wir
einmal herauszubekommen, was das Bestreben der Einbrecher war.«
    Quantz lachte
gequält. »Was schon? Geld zu finden. Etwas Wertvolles.«
    »Etwas Wertvolles,
ja. Finden wir doch heraus, was das gewesen sein konnte. Schauen Sie bitte
genau, was in Ihrem Hause fehlt.«
    Quantz begann im
Komponierzimmer. Er hob Noten und Bücher vom Boden auf, sortierte die losen
Bögen der Partituren sorgfältig und legte sie zurück in die Schränke. Dann
überprüfte er die Schubladen, sein Schreibzeug und alles andere, was sich in
dem Raum befand.
    »Gut, dass Sie eine
strengere Ordnung halten als ich«, sagte La Mettrie, der ihm zusah. »In meinem
Quartier wäre es schwieriger herauszufinden, ob jemand etwas gestohlen hat.
Außer es handelt sich um Schriften, an denen ich gerade arbeite.« Er warf
Quantz einen vielsagenden Blick zu. »Wo wir gerade davon sprechen … Sie
waren es doch nicht, der in mein Zimmer eingedrungen ist, nehme ich an? Sie
hatten Helfer. Oder besser: eine Helferin.«
    »Ja«, brummte
Quantz, »es war Sophie.«
    »Das hätte ich ihr
gar nicht zugetraut. Ich habe sie eher für eine unterwürfige Person gehalten,
die sich an Regeln hält und höhergestellten Persönlichkeiten Respekt zollt.
Also ein eher langweiliges Frauenzimmer.«
    »Vielleicht ändert
sich ja Ihre Meinung endgültig, wenn ich Ihnen sage, dass es ihre Idee war, in
Ihr Quartier zu gehen und die Sachen zu holen.«
    »Und das Opium? War
das auch ihre Idee, es mitzunehmen?«
    »Ich habe sie darum
gebeten. Ich wollte es gern probieren. Ehrlich gesagt, war ich neidisch auf
Sie. Ich hatte das Gefühl, die Droge sei eine Art Wundermittel, um die
schöpferischen Kräfte zu wecken.«
    La Mettrie
schüttelte den Kopf. »Das ist es nur, wenn man auch etwas zu sagen hat. Es
erzeugt keine Einfälle. Wenn Sie keine haben, nützt es Ihnen nicht. Opium
vermag nur Hemmungen zu beseitigen, die so manchem Künstler im Wege stehen.
Viele Autoren sind gehemmt, weil sie glauben, mit ihren Werken, obwohl sie von
deren Wahrhaftigkeit vollkommen überzeugt sind, gegen Regeln zu verstoßen,
eventuell die Autorität gewisser hoher Herrn zu untergraben. Und deswegen
trauen sie sich nicht, ihren Gedanken auf dem Papier freien Lauf zu lassen. Die
Gedanken sind

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