Schatten über Sanssouci
aufgegriffen, weil er nicht sofort
ins Schloss zurückkehrte. Doch fahren Sie fort. Warum glauben Sie, dass er
nicht geflohen ist?«
Quantz schilderte in
knappen Worten, wie er Andreas verfolgt hatte und dass ihm noch ein anderer
Mann nachgerannt war.
»Ich wollte hin,
doch die Patrouille bemerkte mich und befahl mir, nach Hause zu gehen. Man
eskortierte mich sogar.«
»So. Man eskortierte
Sie sogar.«
Quantz spürte einen
Stich von Ärger. »Äffen Sie mich nicht nach, Herr Weyhe. Seine Majestät hat
mich gebeten, zu den Fragen, die sich durch die Absentierung von Andreas
ergeben, Stellung zu nehmen. Ich bin mir der Gnade bewusst, dass der König
meine Gegenwart wünschte und –«
»Sie sind sich der
Gnade bewusst, dass der König Sie verhören lässt?«
»Verhören? Warum
verhören?«
»Wissen Sie, Herr
Musikus –«
»Nennen Sie mich
bitte beim Namen.«
»Ich halte das schon
für ein Verhör. Sie bringen sich selbst in diese Situation. Sie sprechen von
Besuchen des Freiberger bei Ihnen. Von eigenem unerlaubtem Aufenthalt nachts
auf der Straße.«
»Ich habe Andreas
nicht zur Flucht verholfen, wenn Sie das meinen. Ich habe nichts damit zu tun.«
»Warum haben Sie ihn
dann verfolgt, wie Sie sagen? Welchen Grund hatten Sie dazu? Oder haben Sie ihn
nach jedem Besuch verfolgt?«
»Fragen Sie die
Wache, die mich in der Nähe der Berlinischen Brücke getroffen hat. Man wird
meine Aussage bestätigen.«
»Bestätigen, dass
Sie dort waren, ja. Die Wachen werden just in dieser Minute befragt. Aber dass
Sie Freiberger gefolgt sind …« Weyhe schüttelte den Kopf. »Wir werden natürlich
alles prüfen, Herr Musikus. Aber bis dahin haben Sie noch einmal die Gnade.«
»Die Gnade?«
Der Rat wies mit dem
Kinn auf den Flügel mit den Privatgemächern des Königs. Die Kerzen hinter den
Fenstern brannten längst nicht mehr.
»Er erwartet Sie.«
Quantz’ Nacken
versteifte sich. »Was ist so wichtig an Andreas, dass sich alle bis hinauf zum
König um seinen Verbleib sorgen?«
Der Rat schwieg, und
Quantz blieb nichts anderes übrig, als zum Schloss zurückzugehen. Sein Blick
fiel auf die beiden Worte Sans und Souci , die der König hatte anbringen lassen. Das Wort
»Sans« – ohne – wies nach links zum Gästeflügel, »Souci« – Sorge – auf die
Seite, in der der König wohnte.
***
Fredersdorf nahm
stehend einzelne Blätter entgegen, die Friedrich unterzeichnete. Keiner der
beiden Männer sah auf, als Quantz den Raum betrat. Der König griff zu einer
Porzellandose, die auf einem Silbertablett neben einer Tasse Kaffee stand. In
der Dose steckte ein Löffel. Er gab eine weiße Paste in den Kaffee, rührte und
nahm einen Schluck.
Quantz kannte die
seltsame Angewohnheit Seiner Majestät, Senf in den Kaffee zu rühren. Angeblich
geschah es auf ärztliche Anordnung.
»Ich dulde keine
Insubordination«, sagte Friedrich, der weiter seine Blätter abzeichnete, wobei
er hier etwas durchstrich, dort einen Haken machte. Seine Finger waren von
Tinte beschmiert. »Und Insubordination nenne ich das, was geschehen ist, Herr
Quantz. Diese Notenblätter gehen niemanden etwas an. Nur Sie und mich.«
»Welchen Grund gibt
es, dass ein so hoher Beamter und selbst Sie sich so sehr mit Andreas’ Taten
befassen?«, fragte Quantz.
»Sie haben keine
Fragen zu stellen, Sie haben sie nur zu beantworten.«
Aber es waren doch
nur Noten. Die Noten eines Königs, natürlich, aber es handelte sich nicht um
gestohlenes Tafelsilber, nicht um Geld oder Gold. Nur Noten.
»Majestät, bitte
gestatten Sie«, begann Quantz wieder, obwohl er wusste, dass sein Verhalten an
Ungehorsam grenzte. »Andreas kann sich manchmal nicht unterordnen. Glauben Eure
Majestät nicht, dass er sich nur in der Stadt versteckt und wieder auftauchen wird?
Ich will ihn nicht in Schutz nehmen oder sein Verhalten verteidigen, aber –«
»Sie haben nicht
begriffen, dass es nicht nur um Freiberger geht. Natürlich wird er wieder
auftauchen. Und seine Strafe erhalten. Mir liegt jedoch daran, etwas Wichtiges
zu erfahren. Und zwar ob er außer den Noten nicht noch mehr Dokumente gestohlen
hat. Und wenn ja, was mit ihnen geschah. Ob er sie weitergegeben hat.«
»Ich verstehe,
Majestät. Verzeihen Sie. Selbstverständlich haben Sie recht.«
»Weyhe genießt mein
Vertrauen. Sie werden ihm Rede und Antwort stehen, wie er es wünscht. Es ist
Ihnen bekannt, dass ich mich ungern in Justizvorgänge mische. Es wäre ein
schlechter Staat, in dem der königliche Einfluss
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