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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Duft von Blüten
und fernes Vogelgezwitscher. Trotzdem brannten die Kerzenleuchter. Die Luft
ließ die Flammen erzittern, die Schatten an den Wänden und an den Säulen, die die
Schlafnische des Königs begrenzten.
    Fredersdorf – der
Privatsekretär, den Seine Majestät fast ständig um sich hatte – und ein paar
Lakaien warteten ebenfalls.
    Neben der großen mit
Papieren bedeckten Schreibtischplatte stand ein kleiner hölzerner Schrank mit
Schubladen, die zum Teil offen standen und aus denen Dokumente herausragten.
Quantz’ Blick fiel auf die Uhr, die das edle Möbelstück krönte. Das Zifferblatt
war von goldenem Rankwerk umgeben. Es zeigte kurz vor halb sechs.
    Ein Moment der
Stille entstand, in dem das Lärmen der Vögel noch deutlicher zu hören war,
begleitet vom Ticken der Uhr. Sollte er etwas sagen? »Majestät haben mich rufen
lassen –«, begann er ungeschickt.
    »Das ist
offensichtlich«, schnitt der König ihm das Wort ab. »Erklären Sie es ihm,
Fredersdorf.«
    Der »Geheime
Kämmerer« trat einen Schritt vor. Angesichts seines Amtes und seiner Macht war
er bescheiden gekleidet. Sein grauer Rock besaß keine aufdringlichen
Verzierungen.
    »Seine Majestät
beklagt einen Fall von Desertion«, sagte Fredersdorf. »Seine Majestät hofft,
dass Sie, Herr Quantz, einen Hinweis geben können – zumal wir …« Er stockte,
suchte nach Worten. »Es scheint da eine Verbindung zu geben …«
    Der König unterbrach
ihn unwirsch. »Es scheint nicht, Fredersdorf, es gibt. Mein lieber Quantz, wir
brauchen Ihre Hilfe. Wir suchen Freiberger.«
    »Freiberger?« Quantz
überlegte. »Ist das ein Soldat, Majestät? Der Name sagt mir nichts …«
    »Andreas
Freiberger«, präzisierte Fredersdorf. »Er ist als Lakai in Diensten Seiner
Majestät. Sie kennen ihn doch, oder nicht?«
    »Andreas …« Quantz
hatte nie seinen Nachnamen gehört. »Ist er entlaufen?«
    »Wann haben Sie ihn
zuletzt gesehen?«
    Man erwartete eine
schnelle Antwort, doch Quantz wartete noch. Er war ein mit Monarchen erfahrener
Höfling, der wusste, dass es genau solche Angelegenheiten waren, die gefährlich
für eine gute Stellung am Hof werden konnten.
    Andreas war also
verschwunden. Desertiert, wie es in dem Soldatenstaat hieß. Und man brachte
Quantz mit diesem Verbrechen in Verbindung. Die Besuche des Lakaien bei ihm
waren schon Verstöße gegen die Vorschriften gewesen. Es war ratsam, diese
Besuche erst einmal zu verschweigen. »Ich habe nichts mit seinem Verschwinden
zu tun.« Das war ja nicht gelogen.
    Friedrich stand auf.
»So? Vielleicht hilft es Ihnen, wenn wir Ihnen etwas zeigen. Folgen.«
    Sie gingen durch die
Räume zurück in Richtung des Marmorsaals.
    Dort befahl der
König einem bereitstehenden Lakaien, eine Tür zu öffnen, und wandte sich um.
»Kommen Sie nur weiter. Ich werde Ihnen ein Rätsel stellen, und ich hoffe, Sie
werden es lösen.«
    Ein Rätsel? Was
sollte das nur? Warum kümmerte sich eigentlich Seine Majestät persönlich um die
Absentierung eines so rangniedrigen Bediensteten wie Andreas?
    Die Tür, durch die
sie schritten, war eines Herrschers unwürdig. Es war der fast versteckte Zugang
zu den Quartieren der Diener, die sich als aufeinanderfolgende Kammern hinter
den Gästezimmern entlangzogen. Hier hausten die Lakaien in engen Gelassen. Sie
schliefen in ihren Livreen auf einfachen Lagern und hatten durch in die Wand
eingelassene Tapetentüren Zugang zu allen Räumen, in denen ihre Herrschaft rund
um die Uhr ihre Dienste erwartete und sich gegebenenfalls durch das Klingeln
mit einer Handglocke bemerkbar machte.
    Die Luft war hier
deutlich schlechter als im übrigen Schloss. Sie war verbraucht, es stank nach
menschlichen Ausdünstungen. Friedrich schien es nicht zu stören. Quantz wusste,
dass er auf den Schlachtfeldern der Kriege um Schlesien Schlimmeres erlebt
hatte. Auch darin unterschied er sich von den anderen gekrönten Häuptern
Europas, die kaum persönlich in Schlachten zogen.
    Ein Lakai leuchtete
ihnen voran. Die anderen hatten wohl angesichts der Visite die Räume verlassen
müssen.
    »Hier«, sagte der
König und deutete auf eine schmale Pritsche aus Holz, die mit einer dünnen
Matratze bedeckt war. »Hochheben!« Er wandte sich an Quantz. »Wir haben alles
so gelassen, wie es vorgefunden wurde.«
    Der Lakai hob die
leichten Latten an. Darunter lagen Stapel von eng liniertem Papier, die Quantz
sofort als Noten identifizierte.
    »Aufheben!« Als sich
der Lakai bücken wollte, packte Friedrich ihn am

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