Schatten über Sanssouci
über die Maßen nötig ist.
Enttäuschen Sie mich also nicht. Und ich wäre sehr enttäuscht, wenn Weyhe
herausbekäme, dass die Sache mehr mit Ihnen zu tun hat, als Sie zugeben.«
»Jawohl«, sagte
Quantz.
»Gehen Sie nun und
schicken Sie mir Weyhe noch einmal her. Ich möchte erfahren, was er bisher
herausgefunden hat.«
Bisher? Andreas war
doch erst in der vergangenen Nacht verschwunden. Wie schnell konnte sich Weyhe
all die Informationen verschaffen, die er brauchte?
Er verbeugte sich
und bewegte sich rückwärts hinaus. Als der Rat Quantz in den Marmorsaal kommen
sah, nickte der ihm kurz zu.
Quantz wollte
vorbei, doch Weyhe hielt ihn am Oberarm fest. Der Griff war überraschend stark.
»Sie finden sich um
Punkt zwölf Uhr bei mir im Stadtschloss ein«, zischte er. »Bis dahin. Oder wie
des Königs habsburgische Lieblingsfeindin sagen würde: Habe die Ehre, Herr
Musikus. Genießen Sie die Zeit bis Mittag noch ein wenig mit Ihrer Magd.«
Quantz machte sich
los und stolperte fast, als er ins Vestibül trat. Ein Lakai hielt ihm die Tür
zum Ehrenhof auf. In seinen Eingeweiden stach es, als er sich in die
bereitstehende Kutsche zwängte.
Kaum hatte der Mann
auf dem Kutschbock das Gefährt die Rampe hinunter und ein Stück weit die gerade
Straße hinter sich gebracht, trommelte Quantz außen auf das Holz. Der Kutscher
zügelte das Pferd, und es gelang Quantz gerade noch, die Seitentür zu öffnen
und hinaus ins freie Grün zu laufen.
Auf der linken
Seite, Bornstedt zu, begann der Wald. Quantz schlug sich ins Unterholz und
genoss die Erleichterung, als er, von Büschen verborgen, seinen Bedürfnissen
freien Lauf lassen konnte.
5
»Der
Kaffee ist noch nicht bereitet«, sagte Sophie. »Ich wusste ja nicht, wann Sie
zurückkehren würden.«
Quantz nickte nur
und ging in seine Schlafkammer zum Waschtisch. Er musste sich reinigen. Danach
setzte er sich an den gedeckten Tisch. Sophie hatte wie immer seine Wünsche
berücksichtigt und für Gebäck gesorgt.
»Was ist passiert?«,
fragte sie.
Er hatte zu einem
Gebäckstück greifen wollen, doch nun legte er seine Hand auf Sophies Unterarm.
»Setz dich«, sagte er.
»Wie Sie wünschen.«
Auf dem Rückweg
hatte Quantz sich über vieles den Kopf zerbrochen. All die Fragen um Andreas’
Verschwinden. Die Reaktion des Königs.
Ob Andreas wirklich
Staatsdokumente gestohlen hatte? Der König musste doch wissen, ob etwas fehlte.
Natürlich würde man es Quantz nicht sagen, wenn das der Fall war. Und bei dem
Aufwand, den Seine Majestät betrieb, konnte das nur heißen: Es waren definitiv
wichtige Unterlagen entwendet worden. Aus einem kleinen Schlösschen, wo die
Lakaien zu allen Räumen Zutritt hatten, weil der König es sich in den Kopf
gesetzt hatte, hier im Sommer nicht nur zu leben, sondern auch zu arbeiten, mit
allem, was dazugehörte – Beratern, Sekretären, Ministern, Generälen.
Eigentlich brauchten
Lakaien gar nichts zu stehlen, wenn sie spionieren wollten. Es reichte, wenn
sie die Ohren offenhielten und aufpassten. Sie waren stets zugegen. Sie hielten
Kerzenleuchter, öffneten Türen, servierten Kaffee, warteten auf Befehle.
Seine Majestät
fürchtete Spionage. Und hatte er nicht die Schlesischen Kriege gewonnen, weil
er in einer solchen Situation ein gesundes Misstrauen gegen alles und jeden
entwickelte? Auch gegen seine engsten Vertrauten? Sogar gegen seinen alten
Flötenlehrer? Kälte kroch unter Quantz’ Haut.
»Was haben Sie?«,
fragte Sophie. »Sie sehen blass aus.« Sie senkte den Blick. »Wenn Sie mir doch
erzählen würden, was Sie bedrückt.«
Da fiel von Quantz
das Gefühl der Enge und des Eingesperrtseins ab. Er atmete durch. Die
Entspannung brachte ihn fast zum Weinen. Er hatte niemanden, der ganz und gar
auf seiner Seite stand. Die anderen Musiker mieden ihn, weil er letztlich
keiner von ihnen war. Auch unter den Hofbeamten hatte er keine Verbündeten.
Alle beneideten ihn um seine exzellente Stellung.
Wenn er nicht
aufpasste, würde der Riss in seinem Verhältnis zum König breiter und breiter
werden. Vor allem, wenn dieser junge, braun gekleidete Rat Andreas nicht fand
und nicht bewiesen wurde, dass Andreas – und er selbst natürlich auch – keine
Spione waren.
Quantz war
einundfünfzig Jahre alt. Er hatte sich darauf eingestellt, den Rest seines
Lebens mit dem Dienst in Potsdam und dem guten Gehalt beim König zu verbringen.
Was sollte werden, wenn man ihn vom Hof jagte?
Er musste an die
seltsame Frage des Rats denken, ob er und
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