Schatten über Ulldart
dazu überhaupt gewährt würde.
Nach einigen Lidschlägen hatte er die schweren Metallteile abgenommen, die sein Lebendgewicht von rund einhundertzehn Kilogramm um dreißig weitere erhöhten. Normale Wachen wären nicht in der Lage gewesen, in einer solchen Montur einen halbwegs guten Kampf abzuliefern, geschweige denn durchzuhalten, aber für ein Mitglied des Ordens der Hohen Schwerter gehörte es zur alltäglichen Übung.
Griffbereit wurden die Rüstungsstücke und das Kettenhemd auf einen Ständer gehängt, die Waffen in den Holzgestellen verwahrt, dann begab sich der Ritter, bekleidet mit dem weichen, doppelt verwebten Rock, der den Druck des Metalls milderte, vor den Schrein, in dem er die aldoreelische Klinge aufbewahrte.
Ein solches Schwert hatten nicht einmal die meisten der Könige und Herrscher auf Ulldart, weshalb er die Waffe wie sein Leben hütete.
Sagenumwobene Kostbarkeiten waren diese Schwerter, von denen nur einundzwanzig auf dem Kontinent zu finden waren, vierzehn davon alleine in den Händen von Angor-Jüngern. Ihre Schneiden aus reinem Iurdum, gemischt mit anderen Metallen, die inzwischen nicht mehr in den unterirdischen Stollen und Gruben aufzufinden waren, zerschlugen Marmor, Basalt und jedes noch so harte Eisen, ohne auch nur eine Scharte davonzutragen. Ein menschlicher Hals oder ein Oberschenkel stellten ebenfalls kein großes Hindernis dar, selbst wenn eine Rüstung den Träger schützen sollte.
Die letzten zwei der aldoreelischen Klingen, geschmiedet gegen Sinured das Tier und die mächtigsten von allen, so hieß es in den Überlieferungen der OrdensChronik, sollten irgendwo auf Ulldart versteckt sein. Eine davon zu finden war das höchste irdische Glück, das sich Nerestro vorstellen konnte.
Vorsichtig nahm er das Schwert heraus, hielt es mit beiden Händen an der Schneide gepackt und küsste die Blutrinne. Minuten verharrte er in dieser Position, bevor er die Waffe behutsam in den Schrein zurückstellte.
Ein heller Lichtstrahl schoss durch das Fenster, ließ das Glas zerbersten und blendete den völlig überrumpelten Nerestro, der schützend die Hand vor die Augen legte.
Die Gestalt eines mächtigen, riesenhaften Kriegers in voller Rüstung schwebte in den Raum, die Luft war erfüllt von lauter Musik, wirbelnde Trommeln mischten sich mit Fanfarenklängen und Chorgesängen.
Breitbeinig stellte sich der strahlende Kämpfer, der mit seinem Helm fast an die Decke stieß, vor den Ritter, streckte die Hand aus und deutete auf den Schrein. Das Schwert glühte auf, löste sich aus seiner Halterung und flog langsam auf den Unbekannten zu.
»Ich bin Angor, Gott des Krieges und Kampfes, der Jagd, der Ehrenhaftigkeit und der Anständigkeit«, dröhnte die Stimme wie eine mächtige Brandungswelle auf Nerestro herab, der daraufhin den Kopf hob und die lichtumspielte Gestalt mit entrücktem Gesicht anstarrte. »Ich bin hier, um dir eine Aufgabe zu erteilen, Nerestro von Kuraschka, an deren Ende Ruhm, Ehre und die mächtigste der aldoreelischen Klingen steht, wenn du alles zu meiner Zufriedenheit erfüllst.«
»Befiehl, Herrscher des Kampfes. Ich lebe, um dir zu dienen.«
»Der Mönch, der in deinem Verlies sitzt, ist zum Wohle des Kontinents und im Auftrag Ulldraels unterwegs. Aber er braucht eine starke Hand, die ihn bei seiner schweren Prüfung unterstützt, deshalb wirst du ihn begleiten und dafür sorgen, dass ihm kein Leid geschieht.«
Ein Schimmern legte sich über das Schwert. »Ich habe deine Waffe gesegnet, damit sie dich mit göttlicher Kraft gegen alle Gefahren verteidigt, denen du dich stellen musst, um dem Mönch beizustehen. Gelingt alles zu meiner Zufriedenheit, werde ich dir, Nerestro von Kuraschka, die mächtigste der aldoreelischen Klingen als Dank und Anerkennung geben.« Die Waffe legte sich in die ausgestreckte Hand des Mannes. »Brich auf, sobald es geht.«
Der Lichtstrahl wurde stärker, sodass der Ordensritter die Augen schließen und sich abwenden musste. Als er sie wieder öffnete, war Angor verschwunden.
»Ich werde alles tun, um dich nicht zu enttäuschen, Herrscher des Kampfes«, flüsterte Nerestro ehrfürchtig.
Keiner auf der Burg hatte ansonsten etwas von dem Erscheinen des Gottes mitbekommen, was Nerestro am nächsten Tag auf den Umstand zurückführte, dass nur er alleine auserwählt war, mit dem Göttlichen in Verbindung zu treten.
Belkala erschien nicht zum Frühstück und auch nicht zum Mittagessen, weil sie sich unpässlich fühle, so die
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