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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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die anvisierte Stelle, dann beschleunigte er den Stahl durch eine ruckartige Bewegung.
    Der Schlag kam präzise. Die Schneide glitt wie Butter durch die Wirbel und trat, gefolgt von einem gewaltigen Blutschwall, dicht unterhalb des Kinns wieder aus.
    Jukolenkos Kopf flog in hohem Bogen durch die Luft und landete mit einem Poltern auf den regennassen Holzplanken. Der Torso brach zuckend in die Knie und kippte nach vorne um, eine Blutfontäne schoss aus dem Halsrest, tränkte die graue Uniform Lodriks tiefrot. Dunkle Streifen liefen ihm übers Gesicht.
    Noch immer wagte die Menge nicht zu jubeln oder zu rufen.
    Wortlos hob der Gouverneur das Schwert gegen den Himmel und zeigte mit der anderen Hand auf den sich immer noch leicht bewegenden Körper des Adligen.
    Gleißend fuhr ein orangeroter Blitz aus den pechschwarzen Wolken herab. Krachend und knisternd schlug er in die Spitze der emporgereckten Waffe ein.
    Ein glühendes Geflecht aus rötlichem Licht leckte am Arm entlang, breitete sich sternförmig weiter aus und umhüllte den jungen Mann sekundenlang. In Mund, Nase und Ohren schien es einzudringen, die Augen funkelten mit einem Mal wie die hellsten Sterne. Dann erloschen die lebendig wirkenden Strahlen.
    Lodrik fiel ohne einen Laut neben dem Toten auf die Plattform, und rührte sich nicht. Der Regen, der auf ihn herabprasselte, verdampfte zischend, seine Kleidung rauchte leicht.
    Nicht einmal Waljakov, der das Schauspiel entsetzt verfolgt hatte, bewegte sich. Alle Granburger starrten gelähmt auf den vom Blitz niedergestreckten Gouverneur.
    Der Donner war noch nicht ganz verklungen, als die Finger der Hand, die das Schwert hielten, zitterten und den Griff wieder fest packten. Ganz langsam stützte sich Lodrik mit Hilfe der Waffe auf die Knie und erhob sich unsicher.
    Noch immer verwandelte sich der Regen in heißen Wasserdampf, der sofort von dem starken Wind weggetragen wurde, kam er mit dem Körper des schwankenden Gouverneurs in Berührung.
    Die Menschen, die in der ersten Reihen der Hinrichtungsstätte gestanden hatten, fielen auf die Knie. Worte wie »Wunder« und »Beistand Ulldraels« wurden gemurmelt.
    Lodrik ließ das Schwert fallen und betrachtete, vor Aufregung zitternd, seine Hand, auf der sich keine Spur einer Verbrennung abzeichnete.
    Vorsichtig tastete er seinen Körper ab, doch empfand er dabei keinerlei Schmerzen. Lediglich ein leichtes Kribbeln machte sich in seinem Kopf bemerkbar, und ein nebliger Schleier behinderte seine Sicht.
    Nach ein paar weiteren Sekunden klärte sich sein Blick. Er sah alle Menschen um sich herum auf den Knien.
    Allmählich ordneten sich seine Gedanken, und er verstand, dass er soeben ein unbegreifliches Wunder erlebt hatte.
    »Tzulan, der Gebrannte Gott, wollte mich mit seinen Blitzen vernichten«, schrie Lodrik berauscht. Er spürte plötzlich eine ungeheure Macht durch seine Adern fließen. Sein Blut schien zu kochen, alles an und in ihm war heiß wie Feuer, doch es schadete ihm nicht. »Aber Ulldrael hat seine schützende Hand über mich gehalten.« Er hob die unversehrten Hände hoch in die Luft. »Seht her! Die Macht des Bösen konnte mir nichts anhaben. Ulldrael sei Dank!«
    Die Granburger standen zögerlich auf. Dann begannen die Hochrufe, die Menschen nannten immer wieder seinen Namen, wie sie es damals beim Kornfest getan hatten.
    Aber diesmal wollte der junge Mann nicht hinunter zu ihnen. Er war sich sicher, dass er höher als sie alle stand. Sie gehörten nach unten, zu seinen Füßen. Es war ein herrliches, beherrschendes Gefühl.
    »Herr, Ihr solltet Euch ausruhen, auch wenn der Blitz Euch offensichtlich nichts anhaben konnte«, raunte ihm Waljakov ins Ohr. »Sicherheitshalber werde ich einen Cereler kommen lassen, damit er Euch untersucht.«
    Lodrik nahm das blutige Henkersschwert auf und hob die Arme.
    Der Jubel wurde stärker, sodass er sogar den Donner übertönte. Mit einem Mal schienen Regen, Sturm und Gewitter den Granburgern nichts mehr auszumachen, zu begeistert waren sie von ihrem Gouverneur, der von Ulldrael persönlich beschützt wurde.
    »Alles, was in den Wirtshäusern ausgeschenkt wird, geht auf meine Kosten«, rief er. »Der Tod Jukolenkos soll gebührend gefeiert werden.« Er winkte noch einmal, dann drehte er sich um und ging zusammen mit seinem Leibwächter die Planke vom Schafott hinunter.
    Nachdem er im Sattel saß, reckte er das Schwert trotzig gegen die schwarzen Wolken und ritt so in einem Triumphzug vom Festplatz.
    Das Gewitter

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