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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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achtzehn.«
    Sie wandte sich ab und ging – in Richtung Norden. Ich biss mir auf die Lippe. Norden war nicht gut. Zumindest nicht um zwei Uhr morgens.
    Irves sah ihr nach, während sie mit großen Schritten davonging über die Verkehrsinsel, die nächste Ampel. Ich war mir nicht sicher, was er tun würde. Nord oder Süd? Langsam wandte er sich mir zu. Die angerauchte Zigarette flog in eine Pfütze und erlosch. Irves beobachtete mich, offenbar zufrieden. Und ich kämpfte. Ampel auf Grau, erhöhte Herzfrequenz.
    Ruhig durchatmen! , befahl ich mir. Meine Schultern entspannten sich. Irves lachte, als hätte er einen großartigen Witz gemacht, dann kam er über die Straße direkt auf mich zu. Eine Pfütze zersplitterte unter seinem Schritt und fing gleich darauf wieder die Lichter der Stadt ein.
    »Ganz ruhig, French«, sagte er im Vorübergehen. »Hast du wirklich gedacht, ich rühre deine Kleine an?«
    »Gil heiße ich!«
    Ein träges Schulterzucken. »Na schön, Gil . Was ist jetzt? Kommst du mit?«
    Ich schüttelte den Kopf. Irves folgte meinem Blick in Richtung Nordstadt.
    »Tu, was du nicht lassen kannst«, meinte er nur. »Aber komm Maurice nicht in die Quere. Nur so als Tipp.«
    Doch da tauchte ich schon in den Schatten einer Toreinfahrt und lief Zoë hinterher. Schon bald holte ich sie ein. Sie hatte keine Jacke dabei, ihr weißes T-Shirt war gut zu erkennen – schwebend vor dem Dunkelgrau der Gassen. Die verspiegelten Fassaden der Börse waren blind und dunkel. Fenster wie tausend geschlossene Augen. Sorgfältig blieb ich auf Abstand. Sie hielt sich dicht an den Häusern und sah sich oft um. Sie nutzte die Schatten gut, duckte sich hinter geparkten Autos, wenn einige Betrunkene die Straße entlangtorkelten, und wartete, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwunden waren, bevor sie weiterhuschte. Sie sah sich so oft um, dass ich mich schließlich ganz aus ihrem Sichtfeld zurückzog. Offenbar spürte sie, dass ihr jemand folgte. Gut so! , dachte ich grimmig. Besser, ich jage dir Angst ein und treibe dich heim, bevor die anderen dich sehen!
    Doch wenn einer von uns beiden im Augenblick mehr Angst hatte, dann war das eindeutig ich.
    Zoës Weg führte vom noblen Flussviertel weg nach Norden, an den Blockbauten der ehemaligen Bahnhofshallen vorbei. Nicht in die U-Bahn. Schlecht für mich.
    Ich wurde nervös. Ich gehörte nicht in diesen Stadtteil. Das italienische Schuhgeschäft kam in Sicht – die Grenze, die ich bisher nur am Tag überschritten hatte. Bonbonfarbene Beleuchtung, mit Strass verzierte Stöckelschuhe. Wie die Wächterin vor dem Eingang zur Unterwelt lag eine Pennerin auf der Bank vor dem Geschäft. Ich konnte ihr verfilztes, rotes Haar erkennen. Ich wusste, dass sie Barb hieß. Nur Irves, der für jeden einen anderen Namen fand, nannte sie Kassandra, weil sie tagsüber vor der Börse stand, vom Untergang der Stadt redete und Verwünschungen ausstieß. Ich hoffte, sie würde schlafen oder wenigstens zu betrunken sein, um Zoë wahrzunehmen. Doch ihre Nasenflügel blähten sich und ihre Augen öffneten sich weit, als das Mädchen an ihr vorbeiging. Zoë hätte sich genauso gut ein Schild mit der Aufschrift »Läufer« umhängen können. Barbs Blick folgte ihr, doch nicht einmal das Zeitungspapier, das sie sich sogar im Sommer zum Wärmen unter den Pulli stopfte, raschelte. Glück gehabt. Barb galt zwar als überwiegend friedlich, aber ich hatte nicht die geringste Lust auszuprobieren, wozu diese verrückte Prophetin fähig war, wenn sie von ihrer Bank aufstand.
    Ich schlug mich in eine Seitengasse und machte so um den kleinen Platz mit der Bank einen großen Bogen. Erst an der nächsten Querstraße stieß ich wieder zu Zoë. In Gedanken ging ich den Stadtplan ab: Tankstelle, Kreuzung, vier Seitenstraßen, die Baustelle, das Neubaugebiet. Ich begann auf meine Schritte zu achten, trat noch leiser auf. Reviere überschnitten sich hier. Genau an den Kreuzungen, den Nervenknoten der Stadt, wo die Leute innehielten, um sich zu orientieren oder zu verweilen. Dort, wo sich Absätze knirschend auf verlöschenden Kippen drehten.
    Ein ziehendes Unbehagen kroch mir den Rücken hoch, als ich die Edelstahlskulptur vor dem Planetarium entdeckte. Zwei Himmelskörper auf Umlaufbahnen aus metallenen Bögen, die ineinander verschlungen vor der Treppe zu schweben schienen. Hier begann die Maurice-Zone. Nervös blickte ich auf meine Armbanduhr, ein silbergelbes Billigteil für ein paar Euro. Nicht schade drum, wenn

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