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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch
Autoren: Markolf Hoffmann
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packte ihn mit seinen brennenden Händen.
    »Halt ihn gut fest, Carputon … wenn er nicht hören will, soll er die Flamme selber spüren! Soll erfahren, welche Qual wir jahrelang erleiden mußten … brenne sie ihm ein, Carputon, brenne sie ihm ein …« Doch nun warfen sich die Klauen auf ihn. Brüllend schlug Rumos um sich, versuchte sie abzuwehren, aber es waren zu viele! Rote Flammen glänzten auf den Silberspornen, die seine Haut in Fetzen rissen, ihn von Laghanos fortzogen.
    Nur eine Klaue scherte aus dem Heer der Beschlagenen aus. Sie schwebte auf Laghanos zu. Der Junge blickte sie voller Erstaunen an; sah den goldenen Glanz, der über die Krallen wanderte. Sie näherte sich seinem Gesicht, und Drafurs Maske schlug nach ihr aus, versuchte sie abzuwehren »Mondschlund«, würgte Laghanos hervor. Seine Augen weiteten sich.
    Dann packte die Kralle zu. Verkeilte sich in der Maske. Das Gold begann zu schmelzen; siedendheiße Tropfen rannen in Laghanos' Gesicht, während sich Maske und Klaue vereinten. Laghanos brüllte vor Schmerz, warf sich auf dem Gestein umher. Zugleich war ringsum ein metallisches Rasseln zu hören. Es klang, als träfen Hagelkörner auf den Felsengrund … die Klauen der Beschlagenen! Sie fielen aus der Luft herab, aller Kraft beraubt, und prasselten auf das Gestein.
    Rumos Rokariac richtete sich keuchend auf. Er betrachtete Laghanos, der sich am Boden wälzte. Eine Welle schwappte vom Meer zur Grabstätte, traf das Gesicht des Jungen. Dampf zischte empor, und unter der verformten Goldmaske heulte der Junge auf.
    »In Gold gegossen bricht der Stein«, kicherte Rumos, »und goldumflossen stürzt der Narr, der sich erhob zum selbsterwählten Knecht der Macht.« Er humpelte auf Laghanos zu; dabei trat er die am Boden liegenden Silberklauen achtlos zur Seite. Sie klirrten wie zerbrochenes Glas. Doch sie hatten dem Bathaquari übel zugesetzt; an vielen Stellen war seine Haut aufgeplatzt. Asche rieselte hervor, wurde vom Wind aufgewirbelt. »Bist du nun bereit, uns anzuhören?« Rumos packte den Jungen. »Da siehst du es, Carputon … sein Vertrauen in die Macht des Weltenwanderers hat ihn zu Fall gebracht … jetzt gehört er ganz der Bathaquar! Und ist der eine Auserkorene auf unsrer Seite, folgt der zweite ihm schon bald … halt ihn fest! Wir ziehen ihn ins Wasser, bringen ihn an einen Ort, wo ihn die Echsen niemals finden, o Rumos mein Herr.«
    Er lachte noch immer, als er Laghanos mit beiden Armen umschlang, ihn emporhob und ins Wasser trug, wie ein Vater, der seinem Sohn das Schwimmen lehren wollte. Flammen zuckten um sein Haupt, als er in die Wellen tauchte. Nur einige Ascheflocken blieben zurück und wurden gegen die Felsen von Kahidas Grab gespült, wo das Heer der Beschlagenen vernichtet worden war.

KAPITEL 12
Glas
    Bleiche Morgensonne stieg hinter Varas Häuserzeilen empor. Stille hing über der Stadt; kein Lärm drang aus den Gassen. Vara war erstarrt, obwohl viele der Bewohner vor ihren Häusern standen und in den Sonnenaufgang blickten, den sie so sehnlich erwartet hatten. Eine weitere, schreckliche Nacht war vorüber; die sechste, in der die Schatten gewütet hatten.
    Nun war alle Dunkelheit gewichen. Sonnenstrahlen wanderten über Dächer und Mauern, über Straßen und Plätze; immer wieder trafen sie dabei auf Fassaden, die das Licht verzerrte und in seine Farben brach, in Blau und Rot und Grün. Denn über der Stadt erhoben sich seltsame Gebäude; hohe Türme, schräg aufragende Pagoden, schneckenförmige Treppenfluchten. Sie waren durchsichtig wie Glas … nein, körperloser: die Luft schien sich verfestigt zu haben. Die Mauern und Kanten waren nahezu unsichtbar, und doch blieben alle Blicke an ihnen hängen, und sie riefen bei den Betrachtern ein ungutes Gefühl hervor, als sähen diese etwas, das nicht sein durfte, nicht an diesen Ort gehörte.
    In den Straßen lagen die Toten, die Ernte der Schatten - Männer und Frauen, Gardisten und einfache Bürger, Arm und Reich, Sitharer und Troublinier. Alle trugen ein Lächeln auf den Lippen und hatten ausgefranste Augenhöhlen. Die Überlebenden mieden sie; denn die Verblendeten hatten sich die Augäpfel selbst herausgerissen und waren dann verblutet. Welcher Wahn ging in der Stadt um? Welches Grauen hatte die Kräfte im Untergrund erweckt?
    Viele waren geflohen seit jener ersten Nacht, als die Schatten nach Vara gekommen waren. Doch inzwischen waren die Tore der Stadt verriegelt. Vor den Mauern lagerte ein Heer: die Ritter der
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