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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Bald erreichten sie die Hügelkuppe, hinter der das Land abfiel. Cornbrunn erklomm sie zuerst; er war neugierig, wie weit die Insel sich von diesem Punkt aus überblicken ließ. »Nicht so hastig«, keuchte Aelarian, der seinem Leibdiener hinterherstieg. Die Kieselfresser wuselten um seine Füße. »Ksch, ksch, fort mit Euch!«
    Cornbrunn blieb auf der Anhöhe stehen und starrte ins Tal auf der anderen Seite. Seine Kinnlade klappte vor Erstaunen hinunter.
    »Das müßt Ihr Euch anschauen, Aelarian! Es ist … unglaublich! Ich habe noch nie etwas Derartiges gesehen.« Er reichte dem Großmerkanten die Hand und zog ihn empor. Nun blickten sie zu zweit ins Tal. »Damit hätte ich nicht gerechnet«, entfuhr es Aelarian. »Sähe ich es nicht mit eigenen Augen, würde ich es nicht glauben.«
    In der Talsenke lag ein Park. Mächtige Eichen rauschten im Wind, ihre Baumkronen ausladend und voll; sie warfen Schatten auf langgestreckte Rasenflächen, auf verwilderte Hecken und kleine Bäche, die mehrere Seen miteinander verbanden. Zwei sich kreuzende Alleen, von Birken gesäumt, führten an blühenden Rosengärten vorbei, um in der Ferne in einem Wald zu verschwinden. Ihren Anfang nahmen sie an zwei Felsblöcken, ähnlich beschaffen wie der Findling am Strand; ein dritter markierte den Schnittpunkt der gekiesten Wege. Unweit dieses Steins stand eine Ruine, die Überreste eines Tempels; zwei Turmfalken umkreisten das eingebrochene Dach, spähten nach Mäusen und anderer Beute. Und Vogelgesang: Schwalben zogen über den Park hinweg, zeichneten Muster in den bewölkten Himmel.
    Es war ein eigenartiger Anblick. Der Park paßte nicht zu der dünn besiedelten Insel, war ebenso fehl am Platz wie die beiden Troublinier. Seine Größe übertraf alles, was Aelarian zuvor gesehen hatte; selbst der Stadtpark von Taruba - seit jeher Stolz des Gildenrates - war dagegen ein überschaubares Lustgärtchen. »Wer mag ihn erbaut haben?« brach Cornbrunn das Schweigen. »Er muß sehr alt sein, wenn man die Höhe der Eichen betrachtet.«
    »Eichen wachsen nicht in dieser Gegend; sie sind im Rochenwald und im palidonischen Hochland beheimatet. Diese hier müssen vor Jahrhunderten eigens gepflanzt worden sein.« Aelarian nagte an seiner Unterlippe. »Der Park wirkt verwildert, allerdings nicht so sehr, wie man es auf einer nahezu menschenleeren Insel erwarten sollte. Es muß jemanden geben, der sich um ihn kümmert.« »Dann ist Hilfe nicht weit«, freute sich Cornbrunn. »Ein weiches Bett, ein deftiges Essen und ein Schluck Bier - mehr brauche ich nicht. Laßt uns hinabsteigen.«
    Aelarian zögerte. »Ich habe nie von diesem Park gehört, obwohl er ohne Zweifel zu den größten Wundern gehört, die von Menschenhand geschaffen wurden.« Er streifte das goldene Amulett von seinem Hals und steckte es in seine Tasche. »Falls wir auf jemanden treffen, sollten wir möglichst wenig von uns preisgeben. Man kann nicht wissen, wer sich hier in der Einsamkeit vor den Augen der Welt verbirgt.«
    »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Ich werde gewiß nicht ausplaudern, wer Ihr seid und warum wir gestrandet sind.« Cornbrunn scheuchte die wartenden Kieselfresser vor sich her. »Auf geht's! Ich bin neugierig, was uns dort unten erwartet.«
    Hin und her, her und hin; das Schaukeln ihres Gefängnisses machte Ashnada fast wahnsinnig. Immer wieder rollten die Wellen gegen das Floß, schoben es empor und ließen es wieder zurückgleiten. Das stetige Plätschern war kaum zu ertragen.
    Der Kerker, in dem sie und die Fischer aus Rhagis gefangengehalten wurden, bestand aus zusammengebundenen Holzstämmen. Er glich einem schwimmenden Holzkäfig; der Boden war notdürftig kalfatert, und an manchen Stellen drang Wasser ein. Durch die Pützen der Wände fiel spärliches Licht auf die Gesichter der Eingepferchten, insgesamt fünfzehn Männer und Frauen, die sich eine Handvoll Kojen und einen stinkenden Abort teilen mußten. Wenn Ashnada durch einen Spalt nach draußen spähte, konnte sie dort den höherliegenden Steg erkennen, an dem das schwimmende Gefängnis vertäut war. Von ihm führten Bohlenbrücken ab; sie hingen zwischen Pfählen, schwankten und klapperten im Wind. In der Ferne war ein niedriger Felszug zu erkennen: Venetors Schere. Seine Arme umschlossen das Haff und schirmten es vom offenen Meer ab, so daß auch starker Wellengang den Steganlagen kaum gefährlich werden konnte. Die Stege waren berühmt; sie hatten es der Stadt ermöglicht, ihr Siedlungsgebiet

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