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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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ihr. »He, Gyranerpack! Hier liegt jemand im Sterben … kommt her!« Er zwinkerte Parzer zu, der sich schwerfällig von der Koje erhob.
    »Das klappt nie und nimmer«, knurrte Parzer. »Wie oft hast du versucht, mit diesem Zinnober in der
Roten Kordel
ein Bier zu ergattern - und wie oft hat Stolling dir dafür eine Maulschelle verpaßt?« »Von wegen, Parzer! Da kommen sie schon! Obacht!«
    Ashnada war indessen an der Wand herabgesunken; sie hustete, ein stechender Schmerz in ihrer Kehle. Mäulchen eilte zu ihr und stützte ihren Kopf. Ashnadas Lippen bebten; sie bemühte sich, ein Wort hervorzupressen, doch der Husten erstickte jeden Versuch.
    »Das machst du hervorragend«, wisperte Mäulchen. »Sie sind gleich hier!«
    Vor der Tür waren Schritte zu hören. »Was ist da drinnen los?« bellte eine Stimme. »Wollt ihr Hunde wohl Ruhe geben?«
    Ungeld hieb mit der Faust gegen die Tür. »Macht auf! Rasch! Eins unserer Weiber hat sich an einer Fischgräte verschluckt - sie stirbt, wenn sie nicht sofort einen Schluck Wasser bekommt. Macht auf!«
    Die Wachen lachten. »Eine Fischgräte, soso!« Der Riegel wurde zurückgeschoben, die Tür geöffnet. Ein Gyraner spähte vom Steg aus in den Raum; sein weißblondes Haar schimmerte im Sonnenlicht, die Klinge seines Schwerts glänzte. »Wenn ihr uns zum Narren halten wollt, seht euch vor. Wir dulden keine Spaße! Wo ist das Weib ?«
    »Seid ihr taub? Hört ihr nicht das Husten?« Aufgeregt wies Ungeld auf Ashnada, die sich am anderen Ende des Raumes auf dem Boden krümmte. »Daran ist euer Fraß schuld! Eine Gräte hat sich in ihrem Hals quergestellt … unternehmt doch etwas.«
    »Wenn sie erstickt, ist sie besser dran als ihr. Der König hat euch für die Galeere vorgesehen, die den See Velubar überqueren soll. Er liebt es, troublinische Freibeuter schwitzen zu sehen.«
    »Ach ne, sehen wir aus wie Troublinier ?« Parzer fuchtelte erbost mit den Händen. »Wir kommen von der Insel Morthyl! Dort wird frechen Gyranern ratzfatz die blonde Wolle vom Schädel gezupft, samt Kopfhaut, du Kerl!« »Aber wir sind nicht auf Morthyl.« Die Wache deutete mit der Klinge auf Ashnada, die noch immer vom Husten geschüttelt wurde. »Kümmert euch selbst um die Schlampe. Wenn sie verreckt, holen wir gern ihre Leiche und werfen sie bei Firth ins Wasser, damit der Strom sie ins Südmeer trägt. Wenn sie überlebt, auch gut. Und nun haltet Ruhe, sonst könnt ihr morgen ganz auf euer Essen verzichten.«
    Er wollte sich zurückziehen, doch etwas ließ ihn stutzen. Ashnada hatte sich aufgerichtet. Ihr Blick fiel auf den Gyraner. Schwarze, grausame Augen. Für einen Augenblick glaubte er, den Schein einer Flamme in ihnen zu sehen.
    »Bei allen Göttern …«
    Ashnada stieß Mäulchen zurück, die ihre Schulter festgehalten hatte. Mit wenigen Sätzen durchmaß sie das schwimmende Gefängnis, tapp, tapp, jeder Schritt in einem der glühenden Fußabdrücke, die nur für ihre Augen sichtbar waren. Der Gyraner verharrte am Eingang, gelähmt von ihrem Blick Dann ging alles sehr schnell. Mit einem Brüllen warf sich Ashnada der Klinge entgegen, tauchte unter ihr hinweg und warf sich auf den Steg, so daß sie dem Mann die Beine wegfegte. Er stürzte. Das Schwert entglitt seiner Hand. Die beiden anderen Gyraner, die auf dem Steg gewartet hatten, erwachten aus ihrer Erstarrung und ließen wütend ihre Klingen auf sie niedergehen; doch Ashnada rollte sich zur Seite, packte mit der linken Hand die fallengelassene Waffe, rettete sich zum Ende des Stegs und zog sich an einem der Pfosten in die Höhe. Rasch wechselte sie Knochenstück und Schwert; die Waffe lag gut in ihrer Hand. Gyranischer Stahl, hervorragend ausbalanciert. Sie ließ die Klinge zweimal durch die Luft schnellen und fixierte ihre Gegner. Diese zögerten. Ashnadas Körperhaltung verriet ihnen, daß sie es mit einer geübten Kämpferin zu tun hatten. Und ihr Blick: schwarz und gnadenlos … Nun sagte sie einen Satz: »Ysar dor Gharjesmin!« Er entstammte der altgyranischen Sprache, die vor Jahrhunderten durch die candacarische Zunge ersetzt worden war. Allein Gyrs Kriegerkaste gebrauchte einige ihrer Wendungen. Diese bedeutete: »Ihr Kinder des Gharjor, haltet Euch bereit.« Es war die Aufforderung, zu sterben.
    Als sie den Männern auf dem Steg entgegensprang - das Schwert dicht am Körper - , schlugen beide in ihrer Furcht vorschnell zu. Die erste Klinge wischte Ashnada wie einen lästigen Zweig beiseite, die zweite ließ sie nach einem

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