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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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tastete nach dem Schemel und ließ sich auf ihm nieder. Das ohrenbetäubende Wispern der Quelle erstickte die letzte Strophe, die sie hervorpreßte.
    »Es
ist vorbei. Der grauenhafte Todesstoß drang aus der Sphäre vergebens war der beiden Heere Widerstand ich wünschte, daß dies Lied niemals erklungen wäre da es aus einem Blutbad, nicht aus einer ehrenhaften Schlacht entstand.
«
    Sie schwieg. Vom Nesfer drang allein das Wispern der magischen Quelle zu ihr empor; die Schlacht war geschlagen, die Goldei hatten gesiegt. Die körperlosen Klauen schwirrten triumphierend über das Schlachtfeld - und vor der Festung Talanur standen die Priester des Agihor und starrten auf das Bild, das sich ihren Augen bot: ein Gemälde des Grauens.
    Lyndolin atmete schwer. Ihr Herz war aus dem Takt geraten, sie preßte die Hand gegen die Brust. Dann glaubte sie auf einmal, Blicke im Rücken zu spüren, stechende Augen, die sie beobachteten. Sie wandte den Kopf zur Festung. Zwischen Talanurs Trümmern, in einem Spalt zwischen den eingefallenen Mauern, sah sie ein Gesicht - irgend jemand lauerte dort und hatte ihr Lied mit angehört. Keuchend wies Lyndolin auf die Festung, um die Priester auf den Lauscher aufmerksam zu machen; doch vor ihren Augen tanzten Schleier, und ohne noch ein Wort hervorzubringen, brach sie zusammen, sank vom Schemel herab auf den Felsengrund. Ihr Herz setzte aus. Lyndolin Sintiguren, die berühmteste Stimme des Kaiserreiches, war für immer verstummt, und der verborgene Zeuge ihrer letzten Ballade verharrte im Schatten des Gemäuers, bis die Priester den Leib der Sängerin fortgebracht hatten.

KAPITEL 5
Aufbruch
    Gähnend wälzte sich Grimm im Sand, streckte die Glieder. Mit der Schnauze stupste er Knauf an, der neben ihm schlummerte; dieser hob den Kopf, fauchte und schlug mit der Tatze nach Grimm. Er wollte in Ruhe gelassen werden, doch Grimm triezte ihn so lange, bis er sich erhob. Nach einer kurzen Balgerei rasten die Kieselfresser über den Strand, lieferten sich zwischen Muschelschalen und Tangresten herrliche Gefechte und genossen die Sonnenstrahlen, die ihnen auf den Pelz brannten.
    »Seht doch, Aelarian.« Cornbrunn wies auf die spielenden Tiere. »So wild habe ich die zwei lange nicht erlebt. Vor drei Tagen glaubten wir noch, wir müßten am Strand ein Loch für sie buddeln; aber wir haben die Zähigkeit eines Kieselfressers unterschätzt - sie sind nun mal Kreaturen der Moore und nicht so leicht tot zu kriegen! Jetzt tollen sie herum, als wären sie nicht um ein Haar in unseren Taschen ersoffen.« Er lächelte dem Großmerkanten zu, der neben ihm auf dem großen Stein saß und auf das Meer blickte. »Ihr solltet Euch ein Beispiel an Grimm und Knauf nehmen. Sie haben den kleinen Zwischenfall längst vergessen.«
    »Kleiner Zwischenfall!« Aelarian schnaubte auf. »Für mich ist es kein kleiner Zwischenfall, wenn ich heimtückisch ins Meer geschubst werde - und das von einem Weib, welches ich vor nicht allzu langer Zeit selbst aus dem Wasser gezogen habe! Es hätte mein Tod sein können …«
    »… wenn ich nicht zur Stelle gewesen wäre!« Cornbrunn sonnte sich im Glanz seiner Heldentat. Als Aelarian ins Meer gefallen war, hatte er sich todesmutig hinterhergestürzt, den Kopf des Großmerkanten über Wasser gehalten und ihn huckepack aus der Reichweite der gyranischen Schiffe gebracht. Die Wellen hatten ihr Übriges getan und die beiden Troublinier zur nahen Küste von Tula gespült, der westlichsten Insel des Silbermeers. Hier hatte Cornbrunn seinen Herrn an Land gezogen. »In Zukunft werdet Ihr mir nicht mehr mangelnde Kühnheit unterstellen, Großmerkant. Ohne mich wäre die Welt um einen Mondjünger ärmer.«
    Aelarian nickte. »Das hätte dem graubärtigen Großväterchen gefallen. Rumos gab den Befehl, mich zu beseitigen, und Ashnada gehorchte ihm, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hätte mich vor der Gyranerin in Acht nehmen sollen !«
    »Ja, sie hat Euch übel mitgespielt. Allerdings war sie, wenn ich mich recht erinnere, nicht die erste Frau, die Euch ins Wasser stieß. Wie hieß gleich jene Maid aus Oublin, die sich an der Handelsakademie in Euch verschossen hatte? Sie war in den wenigen Kalendern, die Ihr im Auftrag des Gildenrates an der Akademie unterrichtet habt, Eure glühendste Anhängerin in der Studentenschaft - bis sie mitbekam, wie Ihr ihren gleichaltrigen Bruder verführt habt. Aus Enttäuschung schubste sie Euch in den Oubliner Fischtümpel, wo Ihr zwischen Karpfen und Aalen

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