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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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zu verdoppeln, nachdem der morastige Grund des Hinterlandes eine weitere Bebauung nicht zugelassen hatte. Hunderte lebten in den Pfahlbauten des Haffs und waren nur durch Laufstege mit dem Festland verbunden.
    »Mir ist übel«, stöhnte einer der Gefangenen hinter Ashnada. Es war der Netzknüpfer Ungeld; mit kreideweißem Gesicht hockte er auf den Bohlen, in seinen Händen ein Napf mit der heutigen Mahlzeit. »Der Fraß, den uns die Gyraner vorwerfen, ist das Letzte. Besteht er tatsächlich aus verkochten Fischinnereien, oder bilde ich mir das nur ein?«
    »Auch nicht mieser als der Schmaus, den uns Stolling in der
Roten Kordel
kredenzt«, antwortete Mäulchen, die neben Parzer auf einer Koje lag. »Und was erwartest du schon von den Kochkünsten eines Gyraners? Die ernähren sich von Gräsern und gerösteten Heuschrecken, trinken Schweineblut und halten vergorene Milch für eine Köstlichkeit. Pfui Spinne, sage ich! Na, deiner Plauze wird es gut tun, eine Weile gyranische Küche zu genießen.«
    Einmal am Tag bekamen sie zu essen. Die Ration reichte kaum für fünfzehn Personen, war allerdings nicht aus Bosheit so karg bemessen, wie Ashnada aus eigener Erfahrung wußte. Der Verzicht galt den Gyranern als eine Tugend, das Hungern als Übung für Körper und Geist. Als Ashnada noch am Hof in Nagyra gelebt und dort mit den anderen Igrydes gespeist hatte, war oft eine klare Suppe oder ein Hirsekeks ihre ganze Mahlzeit gewesen. Nicht selten war sie hungrig von der Tafel aufgestanden. Doch dies hatte Ashnada als Schicksal einer Igrydes aufgefaßt; die Geschworenen des Königs hatten alle dieselbe Kost gegessen, so wie der König selbst. Nicht Speisen sättigten die Igrydes, sondern die Ehre, mit dem König an einem Tisch sitzen zu dürfen; denn Tarnac von Gyr hatte seine Mahlzeiten stets in ihrem Kreis eingenommen.
    »Ich frage mich, warum sie uns nach Vodtiva verschleppt haben«, moserte Ungeld. »Schlimm genug, daß Gyr wieder im Silbermeer auf Raubzug geht - aber müssen wir unbescholtenen Reisenden darunter leiden?« »Sei froh, daß sie uns überhaupt verschleppt haben«, erwiderte Mäulchen. »Sie hätten uns auch mitsamt unserem Pott versenken oder den Troubliniern hinterherwerfen können, damit wir wie sie im Meer ersaufen. Was allerdings so oder so passiert wäre, wenn Parzer nicht im letzten Augenblick seine Pfoten vom Steuerrad genommen hätte.«
    Parzer schoß von der Koje hoch, als hätte man ihm eine Nadel in den Hintern gestoßen. »Ach ne, das ist also der Dank für meine Dienste! Ich habe euch faule Sandwürmer bis nach Tula gebracht, und hätte der Turmbinder nicht seinen Dienst versagt, wäre ich Gyrs Flotte davongejagt wie ein Hecht.«
    »Ein toller Hecht bist du gewesen! Ein Mann im Pfeilhagel umgekommen, zwei über Bord gegangen, ein dritter wie Zunder im Feuer verendet. Gratuliere, Parzer, dein Fluchtversuch war wirklich ein Meisterstück.« Ashnada dachte an das Bild des brennenden Priesters zurück, den der gyranische Brandpfeil getroffen hatte. Sein Leichnam war völlig verkohlt gewesen. Sie hatte Rumos nicht helfen können - und war insgeheim erleichtert über den Tod des Zauberers. Lange hatte sie ihn für unsterblich gehalten; nun hatte ein schlichter Brandpfeil ihn dahingerafft.
    Noch immer trug sie das Knochenstück bei sich; die Gyraner hatten es ihr nicht abgenommen, vermutlich, weil sie es für einen harmlosen Talisman gehalten hatten. Immer wieder tastete sie nach ihm, ließ die Finger über das eingravierte Zeichen der verblühenden Rose gleiten und dachte an Rumos' Worte. Es
wird dich
zw
Tarnac führen, denn in ihm brennt die Ewige Flamme.
Hatte er die Wahrheit gesprochen? Nun war Ashnada dem König tatsächlich ganz nah; sein Flaggschiff hatte die Flotte angeführt, die sie gefangengenommen und nach Vodtiva gebracht hatte. Vodtiva war den Gyranern wie eine reife Frucht in die Hände gefallen; die wenigen Karacken, die in Venetors Hafen vor Anker gelegen hatten, hatten sofort die Segel gestrichen, und auch an Land hatte es keinen Widerstand gegeben - zumindest hatte Ashnada keinen Kampflärm vernommen, sondern nur die triumphierenden Klänge der Brashii, der gyranischen Drehleiern, die von hochrangigen Kriegern nach einem Sieg gespielt wurden. Es gab keinen Zweifel: Tarnac hatte Vodtiva im Handstreich erobert, jenes Inselreich, das Gyr im Südkrieg verloren hatte. Es war eine späte Rache am Südbund … zu spät, wenn man den anhaltenden Gerüchten um die goldeische Bedrohung Glauben

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