Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
schenken wollte. »Fragt sich nur, was die Kerle mit uns vorhaben«, setzte Ungeld wieder an. »Gyraner sind nicht für ihre Milde gegenüber ihren Gefangenen bekannt. Gewiß wird uns bald ein lauschiges Plätzchen in einem Silberbergwerk zuteil, in dem wir dann für König Tarnac ackern dürfen.«
    »So weit lassen wir es nicht kommen«, knurrte Parzer und zeigte sein rechtes Handgelenk. »Schlimm genug, daß uns die Ratten den Turmbinder abgenommen haben; das werden sie noch bereuen! Geh in dich, Ungeld - es muß einen Weg geben auszubüchsen. Du hast doch sonst immer eine krumme Idee.«
    Auch Ashnada hatte bereits an eine Flucht gedacht. Nur wenige Gyraner bewachten ihr schwimmendes Gefängnis; zweifellos hatten sie die Mannschaft des aufgebrachten Schiffes für eine einfache Handelsbesatzung gehalten, die unter troublinischer Flagge fuhr. Sie hatten sie weder verhört noch gefoltert, sondern lediglich eingesperrt.
    »Wir könnten sie überrumpeln«, schlug Ungeld vor. »Die Wachen kommen stets zu dritt; zwei bleiben mit gezückten Schwertern am Eingang stehen, während der dritte den Kessel mit dem Schlangenfraß hinunter reicht. Mein Plan: wir locken sie zu uns hinein, werfen uns auf sie und sehen zu, daß wir Land gewinnen!«
    »Und wie willst du sie hereinlocken?« spottete Mäulchen. »Indem du ihnen deinen blanken Hintern zeigst?« »Mit deinem würde es vielleicht klappen. Nein, ich dachte mehr an ein Schauspiel, eine irrwitzige Vorstellung, die ihre Neugier erregt. Laß mich nachdenken …«
    Erneut fuhr Ashnadas Hand in die Tasche ihres Gewandes. Die Finger berührten das Knochenstück - und sie erstarrte. Der Knochen war heiß, glühte wie Feuer; als sie ihn hervorzog, umspielten dunkelrote Flammen die glattgescheuerte Oberfläche. Sie waren durchscheinend und fügten der Hand keinen Schmerz zu; es war jene, die Rumos ihr vor langer Zeit verbrannt hatte.
    Erschrocken drehte sich Ashnada um, das Knochenstück in der geöffneten Hand. Sie wartete auf einen Aufschrei der Fischer, doch diese sahen das Feuer nicht, sondern verfolgten weiterhin das Geplänkel zwischen Ungeld, Mäulchen und Parzer.
    Eine Flamme löste sich von dem Knochen, tropfte wie zäher Sirup auf den Boden und zerrann zu einer glühenden Lache. Diese nahm eine längliche gewundene Form an … ein Fußabdruck! Ja, Ashnada erkannte deutlich den Ballen und die Fußzehen, und daneben brannte ein zweiter glühender Punkt, der Abdruck eines Stabs. Rot zuckten die Flammen, warfen Fünkchen empor, die weitersprangen und einen zweiten Abdruck bildeten. Dann einen dritten! Eine Spur legte sich durch den hölzernen Raum, führte zwischen den Beinen der Fischer hindurch bis zum versperrten Ausgang. Keiner von ihnen bemerkte die Flammen; niemand außer Ashnada konnte sie sehen, ihr Knistern hören oder die Hitze des emporschlagenden Feuers spüren. Ashnadas Hand schloß sich um das Knochenstück.
In ihm brennt die Ewige Flamme,
rief sie sich Rumos' Worte in Erinnerung.
Sie liest in deinem Herzen und nährt sich von deinem Haß; so führt sie dich zu deinem größten Feind.
Ja, so mußte es sein: die Spur führte zu Tarnac von Gyr. Der Mann, der sie und die anderen ›Gnadenlosen‹ verraten hatte, war nah! Schweiß brach auf ihrer Stirn aus. Mit der linken Hand suchte Ashnada an der Wand nach Halt, ihre Lider flatterten; das Knistern der Flammen klang in ihren Ohren wie höhnisches Kichern. Dann wurde ihr schwarz vor Augen; ein Bild drängte sich in ihr Bewußtsein, ein dunkelhäutiger Mann, an einen Felsen gekettet, auf dem Haupt eine Flickenhaube und in den Händen ein Stab, mit dem er verzweifelt um sich schlug. Sein Blick fiel auf Ashnada, schwarz und schillernd, und in den Pupillen erkannte sie ihr Spiegelbild: ihr eigenes Gesicht, verzerrt in Furcht und Schrecken, die Augen naß vor Tränen, die Lippen zitternd, bleich …
    »Ist dir nicht gut, Mädel?«
    Ungelds Stimme brachte sie zur Besinnung. Rasch öffnete Ashnada die Augen, starrte auf die Fischer. Die Flammenspur war weiterhin deutlich zu sehen, das Knistern lauter als zuvor.
    »Es ist nichts«, murmelte sie. »Nur ein Traum … ein Traum …«
    »Sie ist ein wenig blaß um die Nase«, sagte Mäulchen besorgt. »Nicht, daß sie uns umkippt und den Fischbrei ausspuckt.«
    »Ich könnte es ihr nicht verdenken. Allerdings …« Ungeld hielt inne. »Da haben wir ja schon unseren Plan!« Eifrig sprang er zur Tür - auch sie aus Holz, mit einem Riegel von außen geschützt - und rüttelte an

Weitere Kostenlose Bücher