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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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gegen Akendor beteiligt warst, will ich dein Leben schonen.« Die Gardisten zogen Baniter vom Thron zurück. »Bringt ihn zum Haus der Verschwiegenen Schwestern. Sie sollen ihm die Zunge herausschneiden und ihn in den tiefsten Kerker stecken, damit niemand ihn findet. Der Name Baniter Geneder muß für immer ausgelöscht werden.«
    Baniter erbleichte. Die Verschwiegenen Schwestern waren der Tathril-Kirche unterstellt; sie hüteten in ihren Häusern die Wahnsinnigen, die Kindsmörderinnen und selbsternannten Propheten. Auch manch unliebsamer Priester war in den Häusern der Verschwiegenen Schwestern verschwunden, um seine Ansichten über Tathrils Natur zu überdenken.
Niemand kehrt von dort zurück. Der Tod wäre mir lieber!
»Ihr werdet es bereuen, mich auf diese Weise mundtot zu machen«, stieß er hervor, während die Gardisten ihn aus dem Saal schleiften. »Meine Familie wird mich rächen.«
    Der Kaiser verzichtete auf ein Widerwort. Er wartete, bis die Gardisten Baniter fortgebracht hatten. Dann stieg er zurück auf das Podest und setzte sich auf den Thron. Schloß die Augen. Horchte in die Stille. Außer ihm befand sich niemand mehr im Saal. Dennoch vernahm Uliman leise Geräusche : hörte das Knirschen des hölzernen Throns, den Wind, der die Glaskuppel umstrich, das feine Singen der Bleiverstrebung.
    »Ist es ein Fehler, ihn am Leben zu lassen?« fragte er plötzlich mit besorgter Stimme. »Wieso gewähre ich Baniter diese Gnade?« Er öffnete die Augen, betrachtete seine kleinen Hände. »Als ich damals mit Aelarian Trurac durch Troublinien zog, gab er mir den Rat, all meinen Feinden mit Milde zu begegnen. Denn ein Herrscher wie ich, so sagte Aelarian, habe viele Rivalen und sei eines Tages selbst auf Milde angewiesen.« Ulimans Blick wanderte zu der Kette der Geneder, die noch immer vor dem Thron lag. »Rumos Rokariac hingegen lehrte mich, daß nur ein unvorsichtiger Herrscher Feinde besitzt. Deshalb riet er mir, die Erben der Gründer auszulöschen.«
    Er wandte den Kopf zur Seite. Ein Fauchen war plötzlich zu hören; es drang hinter dem Thron hervor. Uliman rang sich zu einem Entschluß durch.
    »Ja, du hast recht … das Wagnis ist zu groß. Selbst im Haus der Verschwiegenen Schwestern wäre Baniter eine stetige Gefahr für meine Herrschaft.« Er betrachtete die Gestalt, die sich neben dem Thron aufrichtete, den dürren Hals streckte und mit gläsernen Augen Ulimans Blicke erwiderte. »Kümmere dich um ihn, mein Gefährte. Die Nacht ist finster, niemand wagt sich auf die Straßen. Es darf keine Zeugen geben, wenn der letzte Geneder sein Ende findet.«
    Der Bote war ein Mönch des Azir-Delim-Ordens, ein Geschworener des Gottes Zordis, den die Reisenden und Bettler verehrten. Die Azir-Delim dienten der arphatischen Königin als Kundschafter und Eilboten; ihr Gelübde verlangte allerdings, nur Botschaften von großer Bedeutung zu überbringen.
    Schweißüberströmt stand der Mönch in der Haupthalle des Südflügels, umringt von den Leibwachen der Königin. Die Anub-Ejan reichten ihm einen Krug Wasser; er trank mit gierigen Zügen. Tagelang war er geritten, um Vara so schnell wie möglich zu erreichen; hatte den Nebelriß überquert, sich durch die brennenden Weiten des Hochlandes geschlagen und war an der palgurischen Küste bis nach Vara geprescht. Nun hatte er mitten in der Nacht sein Ziel erreicht und verlangte, zur Königin vorgelassen zu werden. Trotz der späten Stunde wurde Inthara geweckt. Sie erschien im Nachthemd, die schwarzen Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Der Große Ejo geleitete sie zu dem Boten, der erschöpft an einer der Säulen lehnte. Als er die Königin sah, fiel er auf die Knie.
    »Göttliche Herrin, ich komme aus Praa, um Euch eine schreckliche Botschaft zu überbringen. Zordis war gnädig genug, meine Reise nicht zu behindern, damit Ihr die Kunde vom Untergang Eures Heeres nicht aus dem Mund eines sitharischen Boten erfahren müßt.« Er zog eine Pergamentrolle unter seinem Mantel hervor. »Der Priester Sentschake sendet Euch dieses Schreiben. Er verfaßte es am Abend nach der Schlacht, als unser versprengtes Heer am Nesf er entlang gen Osten floh.«
    Mit bleichem Gesicht entrollte Inthara das Schreiben, überflog die Zeilen. Dann ließ sie das Pergament sinken. »Praa ist verloren. Die Stadt meiner Väter und Vorväter … die Wiege Apethas, die strahlende Perle am Nesfer …« Sie bemühte sich, Fassung zu bewahren. »Das vereinte Heer von Arphat und Sithar wurde geschlagen.

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