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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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hätte sich früher bemühen sollen, mich …«
    »Still jetzt!« Der Fremde durchtrennte den letzten Strick. »Wir müssen fort, und zwar rasch.« Seine Gefährten hatten ihre Barken neben das Boot gelenkt. Mehrere Hände halfen Baniter, in den Kahn umzusteigen.
    »Ihr gehört zu den Stakern«, stellte er fest. »Ich dachte mir schon, daß Sinustre mit euch im Bunde steht.« Die Männer - in jedem Kahn saßen drei - antworteten nicht. Ihre Bootsstangen tauchten ins Wasser; mit kräftigen Stößen stocherten sie zum Tunnelausgang. Der Kanal öffnete sich, wand sich in einer Schleife nach Osten. Hinter der nächsten Biegung gabelte er sich; die Staker steuerten den schmaleren Arm an.
    Nun erst bemerkte Baniter das seltsame Material, aus dem der Kahn bestand. Als seine Finger die Bootswand berührten, schreckte er zurück.
Kalt … kalt wie Eis!
Es war eine Art schwarzes Metall, auch wenn es sich wie trockene Kohle anfühlte; es schien alles Licht zu verschlucken, und sein Anblick ließ seine Augen tränen. Er wollte es nicht berühren, alles in ihm sträubte sich dagegen.
    »Wohin bringt ihr mich?« stieß er hervor.
    »Seid endlich still!« Der vordere Staker wandte den Kopf und starrte auf den Kanal. Hinter ihnen war ein Geräusch zu hören - ein Schrei! Ein Fauchen! Und Flügelschläge … Als Baniter sich umsah, bemerkte er den Schatten, der um die letzte Kanalbiegung flatterte. Er flog dicht über dem Wasser - ein Vogel. Augen, so grell und gläsern wie Kristalle. Ein Schnabel, schwarz und krumm, voller Zorn aufgerissen.
    Ein Schwan! Ein Schwan mit dunklem Gefieder!
Er hatte sie eingeholt. Flatterte empor, höher und höher, um dann mit einem Fauchen auf das Boot herabzustoßen. Zu spät erkannte Baniter, daß der Angriff ihm galt. Der Schwan hackte mit dem Schnabel nach seinem Kopf, traf Baniters Stirn, dicht über dem linken Auge. Warmes Blut rann an seinen Nasenflügeln herab. Panisch schlug Baniter um sich. Sein Gesicht spiegelte sich in den gläsernen Augen des Schwans. Dieser stieß sich wieder ab, schoß empor in die Lüfte.
    »Duckt Euch, Baniter!«
    Ein weiterer Tunnel. Schwärze umgab den Kahn. In der Ferne kreischte der Schwan. Folgte er ihnen noch immer? Baniter preßte die Hand gegen die blutende Stirn, wollte den Kopf auf die Bootswand betten; doch die Kälte des Metalls war unerträglich.
    Zündsteine schlugen aufeinander und zauberten Funken in die Dunkelheit. In der Hand eines Stakers glomm eine Fackel auf. Sie befanden sich in einem niedrigen Tunnel; das Wasser war mit einer Algenschicht bedeckt. Schwerfällig schob sich das Boot durch die Brühe. Nun war auch der Schwan wieder zu sehen. Er flog dicht hinter ihnen. Seine Augen funkelten Baniter an. Gläserne Augen. Mordlust. Tierische Grausamkeit. Bebende Flügel. Krallen streiften das Boot. Einer der Staker schlug mit der Stange zu. Traf daneben. Holz prallte auf schwarzes Metall. Dumpfer Ton wie ein Glockenschlag. Laut. Unerträglich. Baniter preßte die Hände gegen die Ohren. Vor ihm flog der Schwan. Fauchte. Verbiß sich in seinem Bein. Zerfetzte die Hose. Riß ein Stück Fleisch aus seinem Schenkel. Baniter ließ sich zurückfallen, prallte auf den Boden des Kahns. Sein Kopf schlug auf das Metall. Der Schwan stürzte sich auf ihn. Doch nun packte einer der Staker seinen Hals, riß das Biest von Baniter fort. In Raserei hackte es nach seinem Arm, von dem das Blut herabtroff. Brüllend warf der Staker das Tier aus dem Boot. Es tauchte in das Wasser. Seine Flügel peitschten die Algen auf.
    »Gleich … gleich sind wir in Sicherheit.«
    Baniter starrte auf das Ende des Tunnels. Eine Mauer versperrte den Weg. Sie schien uralt zu sein, ihre Steine waren moosbedeckt, einige standen hervor. Unter der Moosschicht waren die Fragmente eines Zeichens zu erkennen - eine Sichel.
    Die Staker tauchten die Stangen ein, beschleunigten den Kahn. Neben ihnen jagte die zweite Barke über das Wasser. Auch sie hielt auf die Mauer zu.
    »Ihr müßt anhalten!« preßte Baniter zwischen den Lippen hervor. »Der Aufprall … er wird uns umbringen!« Hinter ihm schnellte der Schwan aus dem Wasser, seine Augen auf Baniter gerichtet. Breitete die Schwingen aus, schüttelte die Algen aus dem Gefieder. Warf sich auf den Fürsten. Baniter trat nach dem geöffneten Schnabel. Mit schrillem Laut wirbelte der Schwan herum, versuchte sich in der Luft zu halten. In diesem Augenblick erreichten die Kähne die Mauer. Das Metall unter Baniter begann zu singen; es hallte wie ein

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