Schattenelf - 2 - Das Turnier
Stocken. Constance drehte sich ein kleines Stück, so dass sie König Danube direkt ins Gesicht sehen konnte. »Sorgt dafür, dass die Sünden der Mutter nicht auf deren Kinder zurückfallen, ich bitte Euch«, flehte sie mit leiser werdender Stimme.
Danube schüttelte sofort den Kopf; wenigstens diese eine Bitte wollte er der bedauernswerten Toten noch gewähren und sicherte ihr zu, man werde sich gut um Merwick und Torrence kümmern.
Genau in diesem Moment kletterten die beiden auf die Bühne, Merwick vorneweg, Torrence ein kleines Stück dahinter.
»Mutter, was hast du nur getan?«, rief ihr ältester Sohn, der Prinz des Bärenreiches, bei jedem Wort zitternd. »Wie konntest du nur, Mutter?«
Er machte einen Schritt auf sie zu, doch der Geist bedachte ihn nur mit einem versonnenen Lächeln und verschwand, löste sich auf in unförmigen Nebel, der von der morgendlichen Brise davongetragen wurde.
Ein tausendstimmiges Raunen ging durch die Menge.
»Das war dein Werk«, sagte De’Unnero vorwurfsvoll zu Aydrian. »Aber wie hast du das angestellt?«
»Und vor allem, warum?«, fragte Sadye. »Mit welcher Absicht? Was haben wir dadurch gewonnen, außer dass wir Constance Pemblebury los sind, deren Tod lediglich der Königin das Leben leichter macht? Warum …?«
Sie ließ die Frage unbeendet, als sie sah, dass Marcalo De’Unnero mit einem verschmitzten Grinsen nickte.
»Die Stunde meiner Thronbesteigung ist gekommen«, erklärte Aydrian.
»Nach Aussage des Geistes ist Jilseponie unschuldig!«, verkündete König Danube. »Möge jeder, der dies bestreitet, jetzt seine Stimme erheben oder für immer schweigen!«
Die Antwort erfolgte in Form eines gewaltigen, donnernden Jubelschreis des wie immer wankelmütigen Volkes.
Danube drehte sich zu Kalas um, der noch immer mit gezücktem Schwert dastand. Der Herzog schien wie gelähmt; er wusste nichts darauf zu erwidern.
»Somit ist der Prozess beendet!«, rief Danube in den anhaltenden, sogar noch anschwellenden Jubelsturm, riss die Arme in die Höhe und sonnte sich in dem vielleicht größten Triumph seines Lebens. Lächelnd sah er hinüber zu Jilseponie, und der Blick, den sie zurückgab, verhieß nichts als aufrichtige Liebe. Denn er hatte ihr zur Seite gestanden, obwohl er alles dabei hätte verlieren können. Er hatte ihr, allen Widrigkeiten zum Trotz, mit seiner Ehre und Liebe beigestanden.
Und sein Lächeln wurde immer strahlender.
Dann, plötzlich, zuckte er unvermittelt zusammen und fasste sich an die Brust.
Und stürzte rücklings auf die Bühne.
In den nächsten Augenblicken, als die Jubelfeier in verstörte Verwirrung und blankes Entsetzen umschlug, drängten sich De’Unnero, Sadye und Aydrian durch die Reihen der Adligen hindurch zum Rand des Podests.
Dort lag Danube, schwer atmend, und fasste sich an die Brust; offenbar hatte er große Schmerzen.
Bei ihm waren Kalas und Jilseponie, die an ihren Fesseln zerrend eine Hand freizubekommen versuchte, um den im Sterben liegenden König halten zu können.
Sie rief ihm zu, dass sie ihn liebe, und legte ihren Kopf an seine Wange.
»Einen Hämatit!«, schrie sie. »Einen Seelenstein, und zwar schnell!«
Zu ihrer Überraschung war es Herzog Kalas persönlich, der ihr den glatten, grauen Edelstein in die Hand schob.
Jilseponie ließ sich in die Magie des Steins sinken, in die Welt des Heilens, und eilte ihrem Gemahl zu Hilfe.
Aydrian erwartete sie bereits.
Selbstverständlich in einer Gestalt, in der sie ihn unmöglich erkennen konnte. Was Jilseponie dort vorfand, war lediglich eine körperlose Hand, und diese Hand hatte sich mit unbarmherzigem Griff um das Herz ihres Gemahls geschlossen.
Sie zerrte mit ihren Fingern daran, versuchte verzweifelt, es zu befreien, und nach einer Weile erzielte sie auch die ersten Fortschritte.
Dann war die Hand verschwunden, und Danube war von dem eiskalten, mörderischen Griff befreit.
Doch es war zu spät.
Als Jilseponie aus ihrer Trance erwachte, sah sie ihren Gemahl tot vor sich liegen, über ihn gebeugt Herzog Kalas, dem eine einzelne Träne über die Wange lief. Der Herzog sah zu ihr hoch, und sie schüttelte den Kopf.
»Ich habe es nicht geschafft«, erklärte sie mit matter Stimme.
Kalas sog scharf die Luft ein und stand auf, den Blick starr auf sie gerichtet. »Natürlich nicht«, sagte er. Er wandte sich den Allhearts und anschließend der riesigen Menschenmenge zu.
»König Danube ist tot«, verkündete er. »Dies ist ein schwarzer Tag.«
»Ein
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