Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
eines Besessenen und der Entschiedenheit eines Mannes zustieß, der überzeugt war, dass sein Seelenheil auf dem Spiel stand.
Als Bohls völlig verdutzte Soldaten den Eindringling endlich überwältigen konnten, lag Yatol Bohl bereits zusammengekrümmt auf dem Boden, in einer immer größer werdenden Blutlache, die schon mehr als die Hälfte der Eingangshalle bedeckte.
All dies beobachtete Yakim Douans Geist von seinem Platz über der Eingangstür aus; er genoss das Schauspiel sehr, trotz eines milden Bedauerns. Bei näherer Betrachtung aber überkam ihn wegen seines Voyeurismus ein leichtes Schuldgefühl; er fragte sich, ob er wirklich besser war als Thei’a’hu, der nur beim Zusehen Lust verspürte.
Aber all das war ganz unerheblich, entschied er und zog sich wieder in seine körperliche Hülle zurück. Er musste sich vorbereiten, denn schon bald würde man ihm Yatol Thei’a’hu vorführen, der sich für sein Verbrechen würde verantworten müssen.
Yakim Douan beschloss, die Angelegenheit überaus taktvoll und unter größtmöglicher Nichtbeachtung aller Personen in seiner unmittelbaren Umgebung anzugehen. Er würde sich Thei’a’hus Geschichte anhören und sich anschließend kurz mit seinen Yatols zur Beratung zurückziehen; dann würde er zurückkehren und Thei’a’hu zum Helden Yatols ausrufen.
Der alte Chezru-Häuptling schmunzelte noch immer amüsiert über die köstliche Ironie der Geschichte, als Merwan Ma in sein Meditationszimmer stürmte, um ihm mitzuteilen, er werde umgehend im Audienzsaal gebraucht.
9. Bedrückende Einsamkeit
Die Finsternis auf dem Pfad der sternenlosen Nacht stellte alles in den Schatten, was Brynn bisher erlebt hatte, sogar die Dunkelheit in der Torfhöhle. Nach einer Weile jedoch begann sich auf dem Weg durch die unterirdischen Gänge und während des Abstiegs unter das Gebirge eine zweite Facette dieser Dunkelheit abzuzeichnen, ein nur schwer fassbares Gefühl so intensiver Stille, dass Brynn die Ohren klangen und sie auf sich selbst zurückgeworfen wurde. Sie versuchte, an das vor ihr liegende Ziel zu denken, versuchte, Kraft und Entschlossenheit aus der Erkenntnis zu schöpfen, dass dieser düstere Pfad das Ende ihrer Rückkehr in die Heimat markierte; sobald sie den Pfad der sternenlosen Nacht verließen, würden sie To-gai vor sich sehen, die grasbewachsenen Steppen ihres Heimatlandes.
In dieser dröhnenden Stille aber, der etwas Erstickendes, fast schon Gieriges anhaftete, entglitt ihr der Gedanke ein ums andere Mal.
Selbstverständlich hatten sie Lampen mitgenommen, jene eigentümlichen Konstruktionen aus Glas und Holz, in denen es bläulich weiß schimmerte. Doch selbst das Licht wirkte hier matt und irgendwie fehl am Platz und schien sich hier unten unwohl zu fühlen. Wenn man den äußerst eingeschränkten Lichtkreis bedachte, überlegte Brynn, hatten ihre Lampen eher die Funktion, irgendwelchen Raubtieren ihre Gegenwart anzukündigen als umgekehrt.
Die Luft war stickig und vollkommen still – so still, dass sie sich einer schweren Decke gleich um ihre Körper legte und ihnen das Gehen erschwerte. Der unterirdische Gang war zerklüftet und uneben, und selbst sie – zwei Elfen und eine von Elfen ausgebildete Hüterin – mussten bei jedem Schritt darauf achten, nicht ins Stolpern zu geraten und zu stürzen. Die Seitenwände waren ähnlich zerklüftet; überall ragten Gesteinszacken hervor, die im trüben Licht unheimliche Schatten warfen.
»Im flackernden Schein einer brennenden Fackel wirken diese Schatten noch viel unheimlicher«, sagte Cazzira plötzlich; ihre Stimme zerriss die Stille auf derart brutale Weise, dass Brynn und Juraviel erschrocken zusammenfuhren. »Mit jedem Flackern scheinen die Schatten zum Leben zu erwachen«, fuhr Cazzira fort. »Früher, bevor wir das Geheimnis der Leuchtkokons gelüftet hatten, sind viele hier unten ums Leben gekommen. Wer diese Pfade benutzte, war vom ständigen Tanzen der Schatten derart abgestumpft, dass ihn das Auftreten einer tatsächlichen Gefahr völlig überrumpelte.«
Brynn betrachtete ihren leuchtenden Stab mit dem geschnitzten Holzgriff und der Milchglaskugel am Ende. Das Licht brannte nahezu gleichmäßig hell, bei genauerem Hinsehen aber bemerkte sie einige Partikel, die im Innern der milchigen Kugel zu schweben schienen.
»Leuchtkokons?«, fragte Juraviel, so als hätte er Brynns Gedanken erraten.
»Winzige Tausendfüßler, die in den Tiefen des Torfmoors leben«, erläuterte Cazzira. »Von ihnen
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