Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
unterstellt waren – und damit die Garnison aus Ursal sowie die Mehrheit der Kingsmen und vielleicht sogar die Küstenwache des südlichen Festlandes. Die Flotte aber – ebenso wie die Gewässer, die sie befuhr – war in diesem Zusammenhang weit weniger gesichert, daher musste Aydrian klar sein, dass der Herzog des Mirianischen Ozeans ebenso leicht eine schlagkräftige Streitmacht aus Verbündeten zu Prinz Midalis schaffen konnte, wie Kalas Aydrian die Landstreitkräfte zugeführt hatte.
Wie Aydrian seine Überlegungen auch formulierte, im Kern ging es stets darum, Bretherford vom Hauptteil der mächtigen Kriegsflotte des Bärenreiches fern zu halten.
Der Herzog war ein wenig überrascht, als ihm diese Wahrheit dämmerte. Wieso hatte Aydrian ihn nicht einfach seines Postens enthoben oder ihn sogar umbringen lassen? Warum diese Heuchelei, er habe eine wichtigere Aufgabe für ihn?
Als ihm dies nach und nach zu Bewusstsein kam, stieg Bretherfords Bewunderung für das taktische Talent des jungen Aydrian beträchtlich. Was die allgemeine Situation im Königreich betraf, war der Herzog noch unentschieden, und das hatte Aydrian klar erkannt. Deswegen wollte der junge König ihn auf einen Posten setzen, wo ihm sein Können von Nutzen war. Aydrian fürchtete sich vor ihm, das wusste Bretherford er hatte Angst, er könnte die Flotte übernehmen und sie Midalis übergeben. Eine Befürchtung, die den Herzog des Mirianischen Ozeans gewiss nicht nach Entel begleiten würde, erst recht nicht, wenn der größte Teil seiner Flotte ohne ihn zurückblieb.
»Möglicherweise ist Eure Einschätzung meiner Kenntnisse in Bezug auf die Behreneser ein wenig übertrieben«, erwiderte Bretherford in dem Versuch, sich aus der Geschichte noch herauszuwinden.
»Ihr seid genau der richtige Mann, um Abt Olin auf dem Seeweg nach Jacintha Geleit zu geben«, sagte Aydrian entschieden. »Ihr werdet die Operationen seiner gesamten Marinekräfte entlang der behrenesischen Küste koordinieren und Abt Olin die Pläne für den Transport von Soldaten von Entel nach Jacintha oder in jede andere Küstenstadt seiner Wahl liefern.«
»Ihr wollt tatsächlich einen Herzog dem Kommando eines Abtes unterstellen?«
»Genau das habe ich soeben getan«, entgegnete Aydrian mit fester Stimme. Gekommen war er unter dem Vorwand, einen Gefallen zu erbitten, doch dies war unmissverständlich ein Befehl. »Ihr seid doch ein treuer Diener des Throns – oder etwa nicht?«
Sein kurzes Innehalten sowie sein Gesichtsausdruck verrieten Bretherford, dass Aydrian nicht gewillt war, seine vermeintlich rhetorische Frage ohne klare Antwort im Raum stehen zu lassen.
»Ich war mein ganzes Leben ein treuer Diener des Throns des Bärenreiches.«
Aydrian konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Und das gedenkt Ihr auch in Zukunft nicht zu ändern?«
Bretherford blickte dem jungen König fest und ohne mit der Wimper zu zucken in die Augen.
»Ich spreche von dem Thron, den ich, Aydrian Boudabras, beanspruche«, wurde Aydrian deutlicher, um jeder Ironie, jedem Missverständnis bei der verlangten Antwort vorzubeugen.
»Ich diene dem Thron von Ursal«, sagte Bretherford.
»In Jacintha wird die Stimme dieses Throns bald Abt Olin sein«, erklärte Aydrian. »Abt Olin reist auf meinen ausdrücklichen Wunsch als mein Gesandter nach Behren. Der Umstand, dass er ein abellikanischer Mönch ist, ist dabei nicht weiter von Belang. Er steht während dieser Zeit in meinen Diensten, und Ihr werdet Euch ihm gegenüber verantworten.«
Bretherford wollte noch etwas darauf erwidern, wollte eine Bemerkung vorbringen, zum Beispiel, dass Herzog Kalas womöglich nicht sonderlich erfreut wäre, von dieser überraschenden Entwicklung zu erfahren, doch Aydrians Miene verriet ihm unmissverständlich, dass hier kein Raum für Diskussionen war. Der junge König war nicht gekommen, um eine Bitte vorzubringen, er war gekommen, um Bretherford aus dem Weg zu räumen.
Vermutlich hätte er dankbar sein sollen, dass Aydrian diesen Ausweg gefunden hatte, statt ihn einfach ins Verlies werfen oder heimlich enthaupten zu lassen.
Trotzdem …
5. Dem Schicksal preisgegeben
Es kam wahrlich nicht oft vor, dass ein Mystiker der Jhesta Tu in Chom Deiru mit offenen Armen empfangen wurde, denn viele Jahrhunderte lang waren die Jhesta Tu von den Yatols der Ketzerei und Dämonenanbetung bezichtigt worden. Vor allem bei den Chezhou-Lei waren die Mystiker unbeliebt, jener behrenesischen Truppe von Elitekriegern, die
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