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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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wirkte im bleichen Licht recht kühl.
    »Entschuldige, dass ich dich unterbreche«, brachte sie unter Tränen hervor. Etwas wie kindlicher Kummer hatte ihr Gesicht verzerrt, in dem zugleich eine schreckliche, verständnislose Unterwerfung lag.
    Wohin kann ich fliehen?
    Kellhus aber sagte: »Lauf nicht weg, Serwë.«
    Er redete Nymbricanisch mit ihr, also in der Sprache ihres Vaters. Das gehörte zu der Zuflucht, die sie sich geschaffen hatten – zu jenem Bezirk, in den ihnen der zornige Scylvendi nicht folgen konnte. Doch der Klang ihrer Muttersprache ließ sie aufschluchzen.
    »Wenn die Welt uns immer wieder alles verweigert«, fuhr er fort, streichelte ihre Wange und strich ihr die Tränen ins Haar, »wenn sie uns bestraft, wie sie dich bestraft hat, Serwë, ist es oft schwierig, den Sinn darin zu verstehen. All unsere Bitten verhallen ungehört. Noch das letzte bisschen Zutrauen wird enttäuscht. All unsere Hoffnungen gehen zuschanden. Es scheint, als wären wir der Welt egal. Und wenn wir uns für bedeutungslos halten, denken wir bald auch, wir seien null und nichtig.«
    Ein leises, singendes Klagen entfuhr ihr. Sie wollte sich fallen lassen und sich fester und fester zusammenrollen, bis nichts mehr von ihr übrig bliebe…
    Aber ich verstehe das nicht.
    »Aus deiner Verständnislosigkeit«, ergänzte Kellhus, »darfst du nicht darauf schließen, die Welt an sich sei sinnlos. Du bedeutest dennoch etwas, Serwë. Du bist dennoch jemand. Die ganze Welt ist von Bedeutung durchdrungen. Alles – auch dein Leid – hat eine Bedeutung.«
    Sie spürte seine sanften Finger am Hals, und ihr Gesicht verzog sich zum Weinen.
    Ich soll etwas bedeuten?
    »Mehr, als du dir vorstellen kannst«, flüsterte er.
    Sie fiel ihm um den Hals und weinte sich still an seiner Brust aus, während er sie in den Armen wiegte und ihr mit der Wange über den Kopf strich.
    Nach ein paar Minuten schob er sie vorsichtig ein wenig von sich fort, und sie senkte beschämt den Kopf. Wie schwach und erbärmlich ich bin!
    Er tupfte ihr sanft die Tränen aus den Augen und sah sie lange an. Erst als sie merkte, dass auch er weinte, wurde sie völlig ruhig.
    Er weint wegen mir… wegen mir…
    »Du gehörst ihm«, sagte er dann. »Du bist seine Beute.«
    »Nein«, krächzte sie trotzig. »Mein Körper ist seine Beute. Mein Herz gehört dir.«
    Wie hatte sie entzweigehen können? Sie hatte zu viel ertragen. Und das jetzt, da sie so verliebt war. Einen Moment lang hatte sie sich beinahe heil gefühlt, als sie ihre geheime Sprache gesprochen und einander zärtliche Dinge gesagt hatten…
    Ich bedeute etwas.
    Seine Tränen sammelten sich im kurzgeschorenen Bart, tropften in das aufgeschlagene Buch und ließen die alte Tintenschrift da und dort zerlaufen.
    »Dein Buch!«, keuchte sie und empfand es als erleichternd, sich für die Beschädigung eines Gegenstands, dem seine Aufmerksamkeit galt, schuldig fühlen zu können. Als sie sich vorbeugte, öffnete sich ihre Decke und ließ ihren nackten, elfenbeinfarbenen Oberkörper im Licht der Kerze sehen. Sie strich mit den Fingern über die Seiten. »Ist der Text jetzt verdorben?«
    »Über diesem Buch haben schon viele geweint«, gab Kellhus leise zurück.
    Ihre Gesichter waren einander ganz nah – und plötzlich war die Spannung zwischen ihnen unerträglich.
    Sie ergriff seine Rechte und legte sie auf ihre Brust.
    »Kellhus«, flüsterte sie, »ich möchte, dass du mit mir schläfst.«
    Und endlich gab er nach.
    Als sie keuchend unter ihm lag, blickte sie in die dunkle Ecke des Scylvendi. Sie wusste, dass er ihr seliges Gesicht, nein: ihrer beider selige Gesichter sehen konnte, und der Schrei, den sie kurz darauf ausstieß, war ein Schrei des Hasses.
     
     
    Cnaiür lag reglos und mit zusammengebissenen Zähnen da. Das Nachbild ihres schönen, ihm verzückt zugewandten Gesichts tauchte immer wieder im Halbdunkel seines Zeltwinkels auf.
    Serwë kicherte mädchenhaft, und Kellhus murmelte ihr mancherlei in ihrer vermaledeiten Muttersprache zu. Man hörte Leinen und Wolle über glatte Haut streichen. Dann wurde die Kerze gelöscht, und es war stockdunkel. Die beiden schoben sich durch den Zelteingang nach draußen, und ein wenig Frischluft drang herein.
    »Jiruschi dan klepet sa gesauba dana«, sagte sie. Unter freiem Himmel klang ihre Stimme dünner und wurde überdies durch die Leinwand gedämpft.
    Es prasselte, als würden Funken aus verglimmenden Scheiten aufsteigen. Offenbar hatte jemand Holz aufs Feuer

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