Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Eminenz!“, sagte er und machte eine hastige, tiefe Verbeugung. Doch als er nach der Hand des Erzbischofs griff, um dessen Ring zu küssen, war er wie vom Schlag getroffen und fuhr zusammen. Für Bruchteile von Augenblicken, verwaschen und zerrissen, fuhren ihm die Fetzen vergangener Träume und Ängste durch die Seele. Zugleich schoss ihm der bittere Geschmack wie totes Wasser durch den Rachen. Rasch ließ Berthold die Hand des Erzbischofs los und trat einen Schritt zurück.
„Was hast du?“, fragte Diether von Ysenburg erstaunt.
„Verzeiht mir, Eure Eminenz. Es war nur ein Schwächeanfall. Die lange Reise und die Sorgen in Langen haben mich sehr mitgenommen“, log Berthold.
„In deinem Alter?“, fragte Graf Ysenburg verwundert und sah mit einer hochgezogenen Augenbraue zu Wenzel von Sicking hinüber. Berthold versuchte sich aus der Affäre zu ziehen. „Ja, Eure Eminenz. Ein Anfall von Schwäche, der immer einhergeht mit einem befremdlichen Gefühl.“
Ambrosius Kufner wollte Berthold beistehen. „Eure Eminenz, verzeiht. Aber mit Berthold Graychen ist es des Öfteren so. Ich kann das bezeugen. Schon seit jungen Jahren wird er dann und wann von einem unkontrollierbaren Ausbruch seltsamer Gefühle heimgesucht.“
Der Erzbischof sah Ambrosius Kufner nicht einmal an, bedeutete ihm aber mit einer kurzen Handbewegung, zu schweigen. „Tritt noch näher an mich heran, Berthold Graychen. Man hat mir bereits von deiner eigentümlichen Gabe berichtet. Sei deshalb unbesorgt, denn auch die Heiligen hatten von Zeit zu Zeit Visionen. Wer will schon sagen, alles Überirdische sei von dunklen Wolken verhängt? Und dennoch schuldest du mir ein wenig mehr als hohle Worte.“
Berthold trat wieder an den Erzbischof heran. Der bittere Geschmack wurde intensiver und Bilder durchfuhren Bertholds Hirn – der dunkle Reiter, der Adler, vom Pfeil durchbohrt zu Boden stürzend, und der Tod.
„Nun sag mir frei heraus, was du fühlst. Ich bin nicht vom niederen Schlage eines Wolfram Etzelroth und schreie von Hexen und Zauberern, sobald mir etwas zu Ohren kommt, was ich nicht sofort zu erklären weiß.“
„Frei heraus und ohne Beschönigung?“, fragte Berthold. Petz räusperte sich warnend.
„Ja, Berthold! Frei heraus! Sofern du nicht Gott, unseren allmächtigen Schöpfer und Herrn, beleidigst, so sag, was du zu sagen hast.“
Berthold blickte Diether von Ysenburg in die Augen und suchte Wahrheiten. Er vertraute ihm. Es ging um ihn. Der große Plan. Er war ein Teil des Plans. Gegen ihn richtete sich das Komplott, dessen war sich Berthold jetzt sicher. Nur beweisen konnte er es nicht.
„Eure Eminenz, ich denke, dass uns etwas verbindet, so unglaublich es klingen mag. Euch, der Ihr von hohem Stand und adligem Blute seid, und mich, der ich doch nur ein Geringer bin, Euer Untertan. Ich weiß es und ich fühle es. Ihr werdet verfolgt und geplagt. Etwas Dunkles jagt Euch, im wahren Leben und in meinen Träumen. Ich habe ihn gesehen und ich habe Euch gesehen. Der Schatten hat Euch im Auge und hat sich in meinen Geist gebrannt. Man hat sich verschworen gegen Euch und diese Fehde angezettelt. Man hat sich auch gegen mich verschworen. Gegen mich, der ich doch so gering bin. Und doch verfolgt mich derselbe Schatten, derselbe Reiter. Es ist das Böse. Es ist weltlich und doch nicht. Es geht dabei, worum es immer ging: um Macht. Doch wohin diese Macht reicht, das beginne ich selbst erst zu erahnen. Ich vermag Euch keine Antwort zu geben, noch nicht“.
Der Erzbischof war währenddessen bleich in seinen Stuhl zurückgesunken und griff nun hastig nach seinem Kelch mit Wein, den er in einem Zug herunterstürzte. Dann blickte er Berthold mit schreckgeweiteten Augen an und stieß hervor: „Woher weißt du das alles? Wer bist du?“
„Nur ein Untertan, Eure Eminenz. Gestraft mit einer Gabe, für die ich mich verfluchte, bis ich erkannte, dass ich eine Aufgabe habe und dass ich meine Gabe für die gute Sache und mein eigenes Schicksal nutzen muss. Und vielleicht ist es ein Teil meiner Aufgabe, Euch zu berichten, was ich weiß?“
„Hast du Beweise?“, fragte Wenzel von Sicking.
„Ich kann Euch keine Personen nennen, die an einem Komplott gesponnen haben, das sich nach meiner Meinung gegen seine Eminenz richtet. Aber ich habe gesehen, dass Ihr stürzen werdet.“
„Beweise es!“, forderte von Sicking ungehalten.
Berthold dachte kurz nach. „Gut, ich werde es versuchen, auch wenn es kein wirklicher Beweis ist, aber ein Indiz.
Weitere Kostenlose Bücher