Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Das, was an Beweisen fehlt, kann nur durch Vertrauen ersetzt werden.“ Er wandte sich an Petz: „Petz, bitte erzähle meinen Traum, den ich hatte, als wir noch in Babenhausen weilten und dessentwegen wir am nächsten Tag aufgebrochen sind, um die Wahrheit zu suchen. Erinnerst du dich noch?“
Petz nickte und trat vor. Er wusste nicht, was Berthold vorhatte, aber er vertraute ihm. Es war totenstill im Raum und alle hingen an seinen hasenschartigen Lippen, als Petz zu erzählen begann: „Nun, es war so, dass Berthold eines Nachts aufschreckte und mir von seinem Traum berichtete. Ein Adler sei aufgestiegen in die Lüfte und habe erhaben und unantastbar seine Bahnen durch die Wolken gezogen. Er beobachtete den Boden ganz genau. Dann aber kam aus dem Nichts ein Pfeil geflogen und durchbohrte die Brust des Adlers. Tödlich getroffen trudelte er zu Boden und schlug auf. Am Boden sah man das Blut neben seiner goldenen Krone in den Boden sickern.“
Nach einer kurzen Pause fragte Diether von Ysenburg: „Und wo ist der Beweis in dieser zugegeben finsteren kleinen Geschichte?“
Berthold sah ihn an und sagte zu Petz, ohne die Augen vom Erzbischof abzuwenden: „Petz, sage uns, wie ich den Adler beschrieben habe. Was war besonders an ihm?“
„Er hatte nur ein Auge. Das linke fehlte ihm, so weit ich mich entsinnen kann. Richtig?“
„Richtig“, antwortete Berthold. Dann fuhr er, noch immer Diether von Ysenburg fest anblickend, fort: „Darf ich Eure Eminenz bitten, den Ring, den Ihr an der Hand tragt, Herrn Wenzel von Sicking zu zeigen?“
Diether von Ysenburg hob zögerlich und wissend seine rechte Hand und hielt von Sicking den Ring vor das Gesicht.
„Und Ihr, Herr von Sicking, wollt Ihr uns die Gnade erweisen und uns beschreiben, was Ihr auf dem Ring seiner Eminenz seht?“
Wenzel von Sicking führte die Hand des Erzbischofs vor seine Augen und erschrak. Das Blut wich aus seinem Gesicht.
„Bitte, Herr von Sicking, was seht Ihr?“, wiederholte Berthold. „Sagt es uns.“
„Ich sehe einen goldenen Adler mit mächtigen Schwingen, der auf einer Welt sitzt, die durch einen Rubin dargestellt wird. Der Adler trägt auf seinem Haupt eine Krone, aber …“ Er stockte.
„Was ist mit dem Adler?“, fragte Berthold nach. „Was fällt Euch an ihm auf?“
Von Sicking zögerte. Dann holte er tief Luft und sagte: „Aber es fehlt ein Stück, es scheint herausgebrochen zu sein. Es ist nicht groß, aber man kann es deutlich erkennen.“
„Wo?“
„Es ist das linke Auge“, sagte von Sicking tonlos.
Graf Diether von Ysenburg war ebenso bleich geworden wie sein Vertrauter. Nach einer kurzen Pause ergriff er wieder das Wort: „Es scheint ein unglaublicher Zufall zu sein oder die Wahrheit. Jedenfalls ist dir das, was du beweisen wolltest, gelungen. Meine Zweifel sind nicht gänzlich zerstreut, aber ich gestehe ein, dass mich deine Geschichte und die Tatsache, dass sie sich – ob zufällig oder nicht – mit Teilen der Wirklichkeit deckt, davon abbringen, das alles einfach nur für dummes Zeug zu halten. Doch einen Sinn? Nein, einen Sinn vermag ich nicht zu sehen. Vielleicht von politischer Seite her, da kann ich dir zustimmen. Man hat sich gegen mich verschworen und will mich aus dem Amt drängen – und man hat es offiziell auch bereits fast geschafft. Aber alles andere und das, was du mir hier erzählt hast, ergeben für mich keinen Sinn. Sollten sich meine Feinde etwa nicht damit begnügen, mich meiner Würden zu berauben, sondern mir auch noch ans Leben wollen?“
Der Erzbischof erhob sich. „Es ist kein Zufall, dass ihr alle da seid, dass ihr den Weg über verschlungene Pfade bis hierher gefunden habt. Die Wege des Herrn sind unergründlich und wunderbar. Es ist an der Zeit, dass ihr alles sagt, was ihr zu berichten wisst, damit wir im Bilde sind. Ich will von euch die genaue Schilderung dessen, was sich im Wildbann Dreieich zugetragen hat – und eure Meinung dazu.“
Nachdem die Audienz vorbei war und die vier wieder ins Augustinerkloster zurückgekehrt waren, saßen sie noch zusammen und berieten sich.
„Was hältst du vom Erzbischof, Petz?“, fragte Berthold.
Petz schmunzelte. „Ein Mann, der dem Papst nicht passen kann. Weltoffen und reformerisch. Es verwundert mich nicht, dass treue Diener des Papstes ihn verdrängen wollen. Aber hinter dem Interesse an ihm und seiner Stellung steckt vielleicht mehr. Etwas, was sogar mit dir zusammenhängen könnte. Deine Ahnungen haben dich wahrscheinlich auch
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