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Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Titel: Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alf Leue
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hineingehorcht. Er war nicht imstande, das, was er gesehen hatte, zu verstehen. Also musste er auf sich und sein Innerstes hören, auf die Gefühle und Ahnungen vertrauen, die in ihm schlummerten. Er musste die Zeichen deuten.
    Berthold war fest entschlossen, aber dennoch ratlos. Wie sollte er das anstellen und nur aus den Fragmenten seiner Ahnungen, einigen seltsamen, gereimten Zeilen und einem Säckchen mit Kräutern das Schicksal und die Wahrheit erkennen? Lange saß er da und grübelte. Vergebens. Nichts wurde klarer. Sein fester Entschluss wich schon bald der Verbitterung. Schließlich zog er ärgerlich und etwas unbeholfen den Kräuterbeutel, den er von seiner Mutter in Franz’ Auftrag erhalten hatte, aus seiner Tasche hervor und legte ihn vor sich auf den Tisch. Es war ein Lederbeutel mit Kräutern, nicht mehr.
    Mit spöttischer Stimme rief Berthold verärgert: „Ahnungen, Träume und geheimnisvolles Treiben. Nichts ist es außer einer Last für mich. Was für sinnlose Zeichen und nichtsnutzigen Humbug sendest du mir, oh großes und heiliges Schicksal, oder du, du unumstößliche Wahrheit, oder du, angebetete Erkenntnis?“
    Er stand missgelaunt auf und schob dabei seinen Schemel so kräftig nach hinten, dass dieser durch den Raum schlitterte und an die Wand polterte.
    „Wisst ihr drei, was ich jetzt mache? Ich hole mir Bier und besaufe mich. Das werde ich tun. Ich habe an Gott gezweifelt, um für ketzerische und magische Gedanken mein Seelenheil aufs Spiel zu setzen. Und was hat es mir gebracht außer Verwirrung? Nichts! Ich werde jetzt beten und dann trinken! Nein, umgekehrt. Ich werde solange trinken, bis ich bete. Und ihr drei dürft mir dabei zusehen.“
    Berthold verbeugte sich zynisch, um der angesprochenen Weisheit, dem Schicksal und der Erkenntnis zu huldigen, von denen er so bitter enttäuscht worden war. Dabei fiel sein Blick auf den Tisch. Dort lag noch immer das Kräutersäckchen.
    „Und du, lahmer Franz, der du alle genarrt hast mit deinem faulen Zauber und weisen Sprüchen, du, der du wahrscheinlich auch gehen und rennen konntest wie ein junger Hund, du alter Beutelschneider und Tagedieb – auch dein Geschenk brauche ich nicht mehr.“
    Mit diesen Worten griff Berthold nach dem Ledersäckchen, um es im hohen Bogen an die Wand zu schleudern. Doch plötzlich krampfte sich seine Hand wie erstarrt um den Beutel. Der bittere Geschmack im Mund war mit einem Mal so stark, wie er es noch nie erlebt hatte – nicht bei Franz’ Verbrennung und auch nicht bei allen anderen Ahnungen und Träumen, die er bis jetzt gehabt hatte. Flackernde, grün und golden leuchtende Lichtschlieren zogen an seinem Auge vorbei und er fühlte sich, als würde er schweben. Berthold griff nach der Tischkante, um nicht – wie er glaubte – davonzufliegen. Da war auch wieder der Schwan, der unvermittelt aus dem Nichts auf ihn zu und durch seinen Kopf hindurch flog. Berthold spürt sogar den Wind der Schwingen in seinem Kopf.
    Die Bitterkeit in seinem Mund verwandelte sich in etwas Unbekanntes. Wechselnde Gefühle rasten in Bertholds Brust, während in seinem Kopf unzählige verschiedene Gedanken kreisten. Berthold warf den Beutel erschrocken auf den Tisch zurück, aber die Wallungen seiner Wahrnehmungen ebbten nur langsam ab. Er ging einige Schritte rückwärts und setzte sich auf den Schemel, den Rücken an die Wand gelehnt. Sein Mund stand offen und er atmete hörbar.
    Nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, rückte er mit dem Schemel wieder an den Tisch. Vorsichtig nahm er den Lederbeutel in die Finger und augenblicklich schwollen die Gefühle wieder in ihm an. Berthold nahm sein Messer, durchtrennte die Schnur, die den Beutel zusammenhielt, und leerte dessen Inhalt aus. Ratlos fuhr er mit der Klinge in dem Häufchen getrockneter Kräuter herum, in der Hoffnung, darin etwas Geheimnisvolles zu finden. Einen Hinweis vielleicht, einen Ring, eine verborgene Kapsel oder etwas Ähnliches. Doch es waren nur getrocknete Kräuter. Einige erkannte er am Geruch – Gelbwurz, Salbei, Melisse und Minze.
    Es war ein Tee. Nicht mehr und nicht weniger, ganz so, wie es seine Mutter erzählt hatte. Aber es musste mehr sein. Denn die Kraft ging von den Kräutern aus, nicht von dem Ledersäckchen selbst, das spürte Berthold ganz deutlich. Plötzlich konnte er sich wieder an die Worte des Schwans erinnern, so als würde man sie ihm erneut ins Ohr flüstern:
     
Braue, was du brauen musst,
Sieden muss das Eis,
Schütte es in einem

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