Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Guss,
Nur so erkennt dein Geist.
Etwas brauen, aufbrühen? Ja, einen Tee, das schien sinnvoll. Berthold überlegte. Siedendes Eis? Das konnte nur Wasser sein, denn Eis konnte nicht sieden. Erwärmt man es, so wird es Wasser, dann kocht es. Siedendes Eis. Gut, er sollte also einen Tee aus diesen seltsamen Kräutern brühen. Und Eis, also Schnee, würde er draußen finden.
Berthold stand hastig auf und holte zwei Hände Schnee von draußen, die er in den Topf über der Feuerstelle warf. Er schürte das Feuer, um den schmelzenden Schnee schnell zum Sieden zu bringen. Dann schob er vorsichtig die Kräuter über die narbige Tischplatte zur Tischkante, wo er sie in einem tönernen Krug auffing. Er griff sich einen Lumpen, den er um die Griffstange des Topfes wickelte, und goss das nun siedende Wasser vorsichtig in den Krug über die Kräuter. Er wartete mit Spannung auf das, was wohl geschehen würde.
Doch kein Gnom entstieg dem Krug, keine Funken stoben in die Höhe, kein Geist erschien und kein Tor zur Hölle sprang kreischend auf. Nur leichter Dampf stieg aus dem Krug, etwa so, als hätte man einen Kräuteraufguss gemacht. Der angenehme Duft des Gebräus verbreitete sich schnell in dem kleinen, niedrigen Raum. Enttäuscht hängte Berthold den Kessel wieder an den Haken über die Feuerstelle und lauschte erneut den Worten in seinem Kopf:
Erst Feuer, kälter, kalt wie Schnee,
Dann in dich selbst, ganz tief hinein,
Leben muss es, wirken, ziehen,
In dir sein.
„Feuer, kälter, kalt wie Schnee, dann in dich selbst, ganz tief hinein“, wiederholte Berthold murmelnd. „Aber ja! Abkühlen muss es, ganz einfach! Und dann soll ich es trinken“, rief er erfreut und nicht ohne Stolz aus, schien er doch ein Rätsel gelöst zu haben. Wozu sonst sollte man wohl einen Tee aufbrühen, wenn man ihn danach nicht auch trank?
Ungeduldig wartete er darauf, dass das Gebräu abkühlte. Dann kam ihm der Gedanke, den Krug einfach nach draußen zu stellen. Kalt wie Schnee, dachte er. Vor der Tür stellte er den Krug auf die Mauer, auf der er immer mit Petz gesessen hatte, und ging wieder hinein. Es war einfach zu kalt heute Nacht, um draußen zu warten. Ungeduldig setzte er sich an den Tisch und trommelte nervös mit seinen Fingern auf der Tischplatte. Als er es nicht mehr aushielt, ging er wieder hinaus – genau zur rechten Zeit. Denn schon hatte sich eine hauchdünne Eisschicht auf dem erkalteten Aufguss gebildet. Hastig nahm er ihn mit nach drinnen und stellte ihn vor sich auf den Tisch. Er drückte die dünne Eisschicht mit dem Zeigefinger ein.
Dann goss er die tiefbraune Flüssigkeit in seinen Becher, wobei er die überbrühten Kräuterreste im Krug behielt. Berthold nahm den Becher und zögerte kurz, als er darüber nachdachte, was er hier eigentlich vorhatte: den viele Jahre alten Tee eines Verstorbenen zu trinken.
Doch dann erhob er den Becher wie zu einem Trinkspruch, sagte laut und mit gespielt fester Stimme: „Auf dich, Franz!“ und stürzte den Inhalt des Bechers in einem Zug hinunter. Ihn schmerzten die Zähne von der eiskalten Flüssigkeit und er spürte, wie der Tee durch seinen Hals in den Magen hinunterlief und sich die Kälte im ganzen Körper verbreitete.
Berthold wartete. Zuerst geschah nichts, außer, dass es in seinem Magen rumorte und blubberte. Doch die Enttäuschung hatte kaum Zeit, ihn zu erreichen, denn plötzlich konnte er nichts mehr hören. Er war taub und schlug sich verzweifelt an die Ohren, als ob er einen Pfropf hinausbringen wollte, der darin steckte. Nur die flüsternde Stimme sprach wieder zu ihm und Berthold meinte einen bösen, höhnischen Unterton herauszuhören:
Ruhe sanft und atme nicht,
Der dünne Faden reißt,
Es grüßt die dunkle Welt in Licht,
Nur so erkennt sein Geist.
Blitzartig durchfuhr Berthold ein schrecklicher Gedanke: Ruhe sanft? Nein, das konnte doch nicht … Sein Körper krampfte, er litt furchtbare Schmerzen, so als hätte ihn ein Schwert durchbohrt und als würde jemand die Klinge lachend in seinen Innereien herumdrehen. Berthold stöhnte laut, dann war der Schmerz so rasch vorbei, wie er gekommen war.
Er lauschte seinem Herzschlag. Dem einzigen Geräusch, das er noch hören konnte. Immer langsamer und schwächer wurden die Schläge. Er wollte aufstehen, doch es gelang ihm nicht mehr. Seine Kräfte verließen ihn. Sein Herz schlug noch einmal, dann war es still. Sein Atem setzte aus.
Berthold kippte ganz langsam vornüber auf den Tisch und schlug mit
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