Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
musste zuerst diesen Stumpf ausbrennen. Das arme Schwein wäre mir sonst verblutet.«
Baturix nickte mit offenem Mund.
»Was ist?« Der Heiler legte den Kopf schräg. »Nur weil ich ein Heiler bin, heißt das doch nicht, dass ich nicht schießen kann!«
Baturix schüttelte den Kopf. »Danke«, krächzte er.
»Keine Ursache. Hey, du!« Damit meinte er Kenzie. »Ich glaube, der Hauptmann hat dir befohlen, nach draußen zu gehen und zu kämpfen!«
Kenzie MacRoberts nickte hastig. »Ja-, Jawohl, Herr!« Er griff nach dem Kurzschwert, das in einer Scheide auf seinem Bett lag. Er wollte es schon ziehen, überlegte es sich jedoch anders und trug es in der Scheide nach draußen.
Als der Schotte verschwunden war, nahm Niall den Pfeil von der Sehne und eilte zu Baturix. »Was ist mit deinem Arm?«
»Schätze, er ist gebrochen.«
Niall schnitt eine Grimasse. »Dann wirst du eine Schiene brauchen. Setz dich!«
»Nein. Ich muss zurück nach draußen. Kannst du ihn irgendwie festbinden?«
»Der Schmerz wird dich umbringen.«
»Wenn es nicht der Schmerz tut, tun es die Nain. Ich muss kämpfen. Und du auch.«
Niall kramte einen Lederriemen aus einer Tasche und zog ihn um Baturix’ Bauch. »Ist es so schlimm?«, fragte er dabei.
»Ja. Ich fürchte, Robert hatte Recht.« Baturix verzog das Gesicht, als der Heiler den Riemen festzog.
Niall spuckte aus. »Kein Grund, sich zu verstecken. Verdammte Schotten …« Er hob Baturix’ Schwert auf und reichte es ihm. »Hier. Das wirst du brauchen.«
»Danke.«
»Jederzeit wieder.« Der Ire bewaffnete sich mit Roberts Klinge und trat an Baturix’ Seite. »Bereit?«
Baturix nickte. Er fühlte sich alles andere als bereit, aber es würde reichen müssen.
»Dann mal los.«
Gemeinsam traten sie nach draußen.
Der Boden auf der Treppe war voller Blut und Leichen, glitschig und gefährlich. Auf dem kurzen Stück zwischen Rushais Beobachtungsposten und dem Felssims vor dem Tor waren bereits Hunderte seiner Krieger gestorben. Hier lagen sie, verkrümmt und teilweise noch immer in den letzten Zuckungen. Der Anblick war ein Ton, ein Echo, ein einziges Echo in der Leere von Rushais Existenz.
Pfeile schossen durch die Luft wie wütende Insekten und zeugten davon, dass der Widerstand der Waldläufer noch lange nicht gebrochen war. Einer grub sich mit einem schmatzenden Geräusch in das Fleisch des Schattens vor ihm, der mit einem Keuchen zusammenbrach, ein anderer traf wie ein Faustschlag Rushais Helm und prallte davon ab. Rushai taumelte zurück gegen seinen Hintermann, der ihn festhielt und vor einem Sturz bewahrte.
»Wohl?«, knarrte eine ledrige Schattenstimme in sein Ohr.
Rushai nickte benommen, ehe er hastig die letzten Stufen nach oben eilte und zu seinem Vordermann aufschloss.
War die Treppe schon ein Bild süßen Grauens, reichte der Anblick des Felsensims vor dem Tor aus, um Rushai in einem Moment ehrfürchtiger Wonne erstarren zu lassen, während sich ein zweites Echo in seiner leeren Existenz ausbreitete und seine Nerven zum Schwingen brachte. Kreuz und quer lagen die Körper, teilweise mehrfach übereinander, so dass die Männer staksen und klettern mussten, um zu den Leitern an den Mauern zu kommen. Der Gestank war ein delikater Akzent und erzeugte ein drittes Echo, schwach und unbedeutend, aber dennoch ein Echo, eine kleine Note, die sich in die Sinfonie einreihen würde.
Noch während er darüber nachdachte, begann die Trollstigenglocke zu schlagen. Das letzte Mal vor zehn Jahren hatte das Schlagen der Glocke Verstärkung für die Verteidiger angekündigt. Doch wer sollte sie heute verstärken? Und von wo? Etwa vom Pass?
Mehr Pfeile regneten auf sie herab, so dass sich Rushai die Gedanken aus dem Kopf schlug, die ohnehin nur die Kreation seines Liedes störten. Überleben hieß die Mission, überleben und gewinnen. So schnell es ging überquerte er den Sims, stolperte dabei über Tote, stürzte, landete auf einem Schwerverletzten, der ihm einen gellenden Schrei ins Ohr brüllte, rappelte sich wieder auf, ein ganz und gar unrhythmisches Vorankommen, das Missklänge in seiner Komposition erzeugte und die Echos in seinem Inneren störte. An der Leiter angekommen waren seine Arme bis zu den Ellbogen voller Blut. Sein walisisches Kettenhemd, geschmiedet in Caerdydd 27 , wo angeblich die besten Rüstungsschmiede der keltischen Welt lebten, hatte einen Riss von dem Bolzen einer schweren Helvetierarmbrust.
Schnell kletterte er nach oben. Es war der Ostwall, für den
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