Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
aufhalten. Gib mir meinen Tartan und eins deiner Schwerter!«
»Nein!«, antwortete Derrien instinktiv und heftig. »Nein. Du hast Schwerter! Um sie aufzuhalten, brauchst du keine Druidenklinge!« Er reichte ihm den Tartanumhang, den er sich nur lose übergeworfen hatte.
»Doch. Sonst stehen die Bastarde wieder auf.« Murdoch löste die beiden Schwertgurte und legte sich den Tartan an. Mit geschickten, routinierten Handgriffen wurde aus dem Umhang schnell ein Schottenrock.
»Wie lange glaubst du, dass du überleben wirst?«, wollte Derrien wissen. »Allein gegen fünfzehn?«
»Lange genug.« Der Schotte hob den Helm an und zog den einen verbliebenen Schläfenzopf darunter hervor, so dass dieser frei herabbaumeln konnte. »Gib mir ein Schwert.«
Derrien sah Murdoch in die Augen und stellte fest, dass ihm der Schotte fremd geworden war. Es war so untypisch für ihn, sich nicht von Derrien leiten zu lassen. Der Schotte war zwar schon immer widerspenstig gewesen, war jedoch trotz aller großspurigen Worte stets seinen Befehlen gefolgt. Doch dies war dieses Mal anders. Murdoch würde kämpfen. Egal, was Derrien sagte oder tat. Der Schotte war geradezu besessen von seiner Kampfeswut.
Besessen …
Das Wort ließ Derrien nachdenklich grübeln. War es möglich, dass der Schotte besessen war? Er hatte auf Trollstigen gekämpft, als ob ihn ein Teufel geritten hätte, oder besser noch zwei Teufel, einer auf der linken Schulter und einer auf der rechten, die sich gegenseitig noch angespornt hatten.
Und wenn in ihm tatsächlich ein Geist steckte – der Geist eines mächtigen Ahnen vielleicht –, dann hatten sie vielleicht sogar noch eine Chance? Konnte ein Ahnengeist in Murdochs Körper es gleichzeitig mit fünfzehn Gegnern aufnehmen? Derrien wusste es nicht. Aber er konnte hoffen. Aus dieser Hoffnung heraus begann er,
Wasserklinges
Waffengurt zu lösen.
»Du musst das nicht tun«, meinte er noch einmal zu Murdoch, als er ihm das Schwert samt Scheide und Gürtel reichte.
»Doch.« Der Schotte nahm es an sich und gürtete es über den Tartan. Dann zog er die Klinge und legte sich auf den Boden, die Beine angezogen, um schnell aufspringen zu können. Von unten war er jetzt nicht mehr zu sehen.
Derrien nickte. »Dann viel Glück.«
Murdoch nickte ebenfalls, die Augen weiter auf den Pfad fixiert, den die Nain hochkommen mussten. Er schien keinerlei Wert auf eine Verabschiedung zu legen, also trat Derrien an ihm vorbei und machte sich an die mühsame Aufgabe, einen Weg durch den hüfthohen Schnee zu brechen.
Die Anstrengung war gigantisch. Binnen Kürze stand ihm frischer Schweiß auf der Stirn, rann seinen Rücken hinab und sickerte in das Wams unter seinem Umhang. Er sah schnell ein, wie Recht Murdoch gehabt hatte. Ihre Verfolger hätten sie vermutlich noch vor dem nächsten See eingeholt. Selbst so war sich Derrien nicht sicher, ob er nicht doch zu langsam war. Wenn es ihnen gelang, Murdoch schnell genug zu überwinden –
Ein Todesschrei gellte durch das Tal, dicht gefolgt von einem lauten, gutturalen Brüllen. Klingen schlugen mit einem schellenden Geräusch aufeinander. Dann noch einmal ein Schrei, kurz und gurgelnd. Derrien blickte sich um, doch diese Seite des Sattels war steiler, so dass er nicht mehr hinaufsehen konnte. Alsoversuchte er nicht hinzuhören, sondern kämpfte sich weiter den Hang hinab.
Es war ein anstrengendes Unterfangen, der Schnee reichte ihm noch immer bis zu den Hüften. Endlich am Seeufer angelangt, zitterten seine Beine wie Espenlaub. Seine Muskeln schmerzten, sein Rücken schien jeden Moment auseinanderbrechen zu wollen. Mühsam stapfte er weiter, setzte einen Fuß vor den anderen, während der Wind eisig über die Oberfläche des Sees pfiff und grüne Nordlichter über ihm am Himmel tanzten. In der Ferne des Tals heulte ein Rudel Wölfe, doch hier oben in der Einsamkeit der winterlichen Bergwelt schien die Welt verlassen und leer.
Als er endlich den See überquert hatte, blieb er stehen. Nachdem er sich den klammen, klebrigen Schweiß von der Stirn gewischt und sich sein Atem beruhigt hatte, wandte er sich erneut um.
Auf dem Sattel war alles dunkel. Die Furche, die Derrien auf seinem Marsch gezogen hatte, war klar und deutlich erkennbar. Ebenso deutlich hätten eigentlich seine Verfolger zu erkennen sein müssen, doch da war niemand. Niemand, auch nicht Murdoch. Derrien versuchte gar nicht erst, es verstehen zu wollen.
Stattdessen machte er sich Gedanken darüber, wie er nun
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