Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
ihrer Mitte in Bewegung gesetzt hatte, und folgte ihnen.
Noch mehr Sorgen als über den Schotten machte sich Derrien über den Iren. Ryan war mittlerweile am Ende seiner Kräfte. Bisher hatte er mit Müh und Not mit Murdochs Geschwindigkeit Schritt halten können. Nun gelang ihm nicht einmal mehr das. Langsam fiel er hinter ihm zurück, wenn sich Derrien und Murdoch an sein Tempo anpassten, würden ihre Verfolger sie nur noch schneller einholen.
Das war nicht gut, doch insgeheim hatte Derrien fast schon damit gerechnet. Im Gegensatz zu den beiden anderen besaßRyan nicht die übernatürliche Zähigkeit, die ihm einen zusätzlichen Schutz gegen die Kälte hätte geben können. Obwohl er bereits Murdochs Tartan übergeworfen und Derriens Mütze über die seine gezogen hatte, fror er langsam ein.
Es war eine harte Entscheidung, die Derrien treffen musste, eine Entscheidung, die ihm nur deshalb leichter fiel, weil es keine Alternative dazu gab. »Ryan«, rief er dem irischen Druiden hinterher. Der Fuchs reagierte nicht. »Ryan!«
Der Ire erstarrte in seiner Bewegung. Seine Schultern sanken nach unten, während seine Brust laut hörbar um Atem rang. »Du willst mich zurücklassen«, murmelte er. Natürlich hatte der Fuchs sich seine eigenen Gedanken gemacht und war zu dem gleichen Schluss gekommen.
Derrien verzog den Mund. Doch es musste sein. »Ja.«
Der Ire nickte und drehte sich langsam um. In seinen buschigen Augenbrauen hatten sich Eiskristalle gebildet. Der Schal vor Mund und Nase war vom Kondenswasser seines Atems feucht geworden und steif gefroren. Der sichtbare Teil seines Gesichts zwischen Mütze und Schal war totenblass. Seine braunen Augen sahen Derrien vorwurfsvoll an. »Sie werden mich umbringen«, flüsterte er. Die Bitterkeit in seiner Stimme ließ Derrien zusammenzucken.
»Wenn sie uns einholen, bringen sie uns alle um.«
Ryan nickte.
»Wir könnten kämpfen«, rief ihnen Murdoch von vorne zu.
Derrien ignorierte den Einwurf. Stattdessen rief er zurück: »Geh weiter! Ich komme dir schon hinterher.« Wieder zu Ryan gewandt, schlug er vor: »Wir verstecken dich im Schnee. Vielleicht gehen sie an dir vorbei. Wenn er dann im Sommer schmilzt …« Er beendete den Satz nicht. Die Idee klang hohl und leer. Ryan musste genauso gut wissen wie er, dass die Schatten ihn finden würden.
»Nein«, erwiderte der Ire dann auch. »Das ist sinnlos.«
»Du könntest uns langsamer folgen.«
»Und was soll das bringen?« Ryan stieß einen tiefen Seufzeraus. »Ich kann versuchen, sie aufzuhalten.« Er legte die Hand auf das Heft seines Schwertes.
Derrien schüttelte den Kopf. »Ich kann
Wasserklinge
nicht zurücklassen. Das Schwert ist zu wertvoll.«
Für einen kurzen Moment zogen sich die Augenbrauen des Iren wütend zusammen, entspannten sich aber gleich wieder. Seine klammen Hände versuchten, die Schnalle des Waffengurts zu öffnen, doch es gelang ihm erst, als Derrien ihm dabei half. Auch das Wollzeug und Murdochs Tartan gab er ab.
»Das Kettenhemd?«, fragte Ryan.
»Nein. Das hält uns nur auf.«
»Dachte ich mir.«
Derrien wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. »Es tut mir leid.«
»Es ist nicht deine Schuld.« Ryans Augen schienen etwas anderes zu behaupten.
»Trotzdem.« Derrien suchte verzweifelt nach Worten, irgendetwas, was dem Iren helfen würde, diese ausweglose Situation besser zu ertragen, doch ihm fiel nichts ein. »Mach es gut«, murmelte er schließlich, um überhaupt etwas zu sagen. Selbst diese Floskel schien zynisch und fehl am Platze. Er wandte sich um und ging zügig davon. Murdoch hatte schon einigen Vorsprung und mittlerweile bereits das Ende des Sees erreicht.
»Du könntest mich im See versenken!«, rief Ryan.
Derrien blieb stehen, dachte nach. Schließlich nickte er. Es war keine schlechte Idee. Er wandte sich um und eilte zurück. Bei dem Iren angekommen, zog er
Wasserklinge
und begann, damit beidhändig und mit großen Schwüngen auf das Eis einzuhacken. Seine Schläge krachten laut durch die Nacht. Ohne Zweifel würden die Schatten bemerken, was sie getan hatten. Vielleicht konnten sie ihnen vorspielen, dass das Loch der klägliche Versuch einer Falle war?
Derrien arbeitete schweigend. Über ihm am Himmel flackerte das Nordlicht in neuer Intensität. Der Wind, der die letzte Viertelstunde etwas schwächer geworden war, schwoll zu neuer Stärkeund pfiff durch das Tal. Obwohl die Magie der Klinge die Arbeit deutlich erleichterte, rann schon bald Schweiß über
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