Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Derriens Rücken und würde seinen Körper später zusätzlich auskühlen.
Nach etwa einem Dreiviertelmeter Eis traf er auf Wasser. Mit kräftigen Schlägen verbreiterte er das Loch, bis es groß genug war für Ryan.
»Du kommst zurück und holst mich da raus?«, fragte der Ire.
»Im Frühjahr«, erwiderte Derrien.
Wenn ich bis dahin noch lebe
, fügte er in Gedanken hinzu,
und wenn Rushai dich nicht von seinen Truppen bewachen lässt …
Ryan nickte. »Danke.« Er warf einen Blick nach Süden, wo ihre Verfolger in der Ferne schon deutlich näher gekommen waren. »Viel Glück …«, murmelte er und trottete zu dem Loch. Die Angst ließ sein kälteblasses Gesicht noch bleicher erscheinen. Er klapperte mit den Zähnen und suchte nach dem Mut, in dieses kalte Eisloch zu springen, um sich darin umzubringen, mit dem vollen Wissen, bei seinem nächsten Erwachen höchstwahrscheinlich in die Gefangenschaft der Schatten zu geraten. Der Fuchs war schlau genug, um zu wissen, dass die Chancen auf eine Rettung nicht besonders gut standen.
Derrien klopfte ihm auf die Schulter. »Viel Glück. Versuche ein paar Züge zu schwimmen. Je weiter du von dem Loch wegkommst, desto besser. Nicht dass dir einer von ihnen hinterherspringt.«
Ryan nickte. Sein Adamsapfel hüpfte, als er versuchte, seine Angst hinunterzuschlucken. Dann holte er tief Luft und machte einen Schritt nach vorne.
Der Körper des Iren verschwand mit einem lauten Platschen in der Tiefe des Sees. Etwas Wasser spritzte gegen die schroffen Wände des Eisloches. Das war alles. Hier war einer der erfahrensten Kämpfer der Waldläufer in den Tod gegangen, und alles, was von ihm blieb, war dieses unscheinbare Loch im Eis. Derrien schüttelte den Kopf.
Hastig schob er so viel wie möglich von dem Eis zurück. Je schneller das Loch überfrieren konnte, desto geringer wurde dieChance, dass die Verfolger irgendeinen kälteresistenten Schatten hinter Ryan herschicken würden. Dann warf er noch etwas Schnee darüber, wandte sich um und eilte Murdoch nach.
Am Ende des Sees stieg das Tal noch einmal etwa hundert Meter an zu einem Sattel zwischen dem Finnan-Massiv zur Linken und dem Kongen-Dronninga-Gipfelpärchen zur Rechten, die den Grat des Bispen fortsetzten. Dahinter würde das Tal abfallen zum nächsten See, dem Haugabotsvatnet, und von dort weiter bis hinab zum Fjord. Der Schnee würde weniger, der Weg einfacher werden, nicht mehr so anstrengend. Das war auch bitter nötig – Derrien hatte eine Nacht und einen Tag lang gekämpft und die Nacht davor nicht geschlafen, er befand sich am Rande des Zusammenbruchs. Einmal mehr war es nur seine Zähigkeit, die ihn auf den Beinen hielt.
Der Schotte wartete oben auf dem Sattel, ein schwarzer Umriss vor dem Grün des flackernden Nordlichts. Der Anstieg dort hinauf war weder steil noch anstrengend, aber Derrien empfand ihn dennoch als mörderisch. Sein Körper war am Ende, er brauchte Ruhe, und das dringend. Er fühlte sich wie ein Reh, das von den Wölfen durch den Wald gehetzt wurde und am Ende der Jagd erschöpft zusammenbrach. Noch war es nicht so weit, aber es konnte nicht mehr lange dauern. Woher nahm Murdoch nur die Kraft? Der Schotte hatte nicht weniger durchgemacht als Derrien selbst!
»Geh weiter!«, rief er nach oben. Murdoch musste den Weg weiter spuren. Blieb er stehen, verloren sie nur wertvolle Zeit. »Los! Weiter!« Der Schotte rührte sich jedoch nicht. Stattdessen wartete er schweigend, den Blick nach Süden gerichtet. »Geh weiter!«, rief Derrien noch einmal, weil er dachte, Murdoch hätte ihn nicht gehört. Doch dieser schüttelte nur den Kopf.
Auf dem Sattel blies der Wind noch schärfer. Das Pfeifen wurde lauter, Derriens Umhang begann zu flattern, er selbst zu schlottern. Murdoch schien die Kälte gar nicht zu bemerken.
»Tarannis und Arduina, was tust du da?«, wollte Derrien wissen.
»Ich warte.«
»Das sehe ich. Worauf?«
Zur Antwort deutete der Schotte nach unten. Derrien folgte der Geste und stellte mit Schrecken fest, dass ihre Verfolger bereits den See hinter sich gelassen hatten und nun den Sattel hochgestiegen kamen. Sie gingen in einer Reihe hintereinander, schwarze Gestalten vor dem weißen Schnee, die leicht zu zählen waren. Fünfzehn Stück.
»Geh du weiter, Derrien. Ich werde kämpfen.«
»Blödsinn. Los, auf!«
Doch Murdoch schüttelte den Kopf und lispelte: »Nein, Derrien. Hier trennen sich unsere Wege. Wenn wir beide weitergehen, holen sie uns ein. Einer von uns muss sie
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