Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
aufsah, nickte Julius. »Die Bajuwaren haben einen Geist beschworen, der darüber wacht, dass ich keine Kräfte anwende. Er ist nicht manifestiert, so dass wir ihn nicht sehen können. Jarl Wolfgang besitzt offenbar Wahrnehmungskräfte, die den Geist für ihn sichtbar machen.«
Wolfgang nickte.
»Aber auch sonst«, fuhr Julius fort, »hätte ich mich nicht befreit. Nachdem ich Zeit hatte, darüber nachzudenken, glaube ich nun, dass es das Beste ist, mein Wissen weiterzugeben. Cintorix ist tief gefallen. Jemand muss ihm das Buch abnehmen, zum Wohle unserer aller Völker.«
»Also seid Ihr bereit uns zu helfen?«, fragte Wolfgang.
»Ich werde Euch sämtliche Informationen geben, die Ihr brauchen könnt, um das Buch zurückzuholen.«
»Ihr müsst selbst mit nach Norwegen kommen. Wir brauchen dort Eure Ortskenntnis.«
»Nein!«, entfuhr es Julius. Etwas ruhiger, aber sichtbar aufgewühlt, meinte er noch einmal: »Nein. Ich gehe nicht mehr zurück nach Norwegen.«
»Aber Ihr wolltet uns doch helfen!«
»Nicht in Norwegen! Cintorix wird mich umbringen, wenn er mich noch einmal sieht. Ihr braucht mich dort nicht! Ich bin ein alter Mann, meine einzigen Kräfte sind die der Beeinflussung. Wie soll ich Euch helfen, wenn ich getötet werde, sobald man mich sieht?«
»Mit Eurer Hilfe können wir den Perimeter überwinden!«, entgegnete Wolfgang scharf. »Keiner verlangt von Euch, dem Häuptling selbst gegenüberzutreten, aber Ihr könnt uns hineinbringen!«
Julius schüttelte energisch den Kopf. »Nein! Ich erzähle Euch alles, aber verlangt das nicht von mir!«
»Aber wir brauchen Eure Hilfe!« Wolfgang schrie schon beinahe.
»Ich helfe Euch! Aber ich gehe nicht nach Norwegen!«
»Wolfgang!«, rief Keelin ängstlich dazwischen. »Wolfgang! Bitte beruhige dich!« Sie fürchtete, dass der Germane einmal mehr unter dem Einfluss seiner Ahnenstimmen litt und die Kontrolle über sich verlor. Sie legte eine Hand vor seine Schulter, die andere auf seinen Rücken, und redete mit ruhiger Stimme auf ihn ein: »Wolfgang, wehre dich dagegen! Lasse nicht zu, dass sie die Kontrolle über dich erringen! Es bringt niemandem etwas, wenn du hier in Raserei verfällst.«
Wolfgang warf ihr einen giftigen Blick zu, der sie nur zu sehr daran erinnerte, dass sich seine Ahnenwut problemlos auch auf sie übertragen konnte. Doch trotz seiner Reaktion schienen ihre Worte irgendwie zu ihm durchgedrungen zu sein, denn er entspannte sich merklich. »Aber wir brauchen ihn!«, murrte er, mehr aus Trotz als aus Überzeugung, damit noch etwas bewirken zu können.
»Ja«, stimmte ihm Keelin zu. »Und deshalb wird er auch mitkommen.«
»O nein, Keelin!« Julius schüttelte abwehrend den Kopf.
Keelin nahm die Hand von Wolfgangs Rücken und trat ganz nah an das Gitter, so nah, dass sie ihre Stirn gegen zwei der Stäbe lehnen konnte. »Kommt her, Julius«, flüsterte sie.
»Was hast du vor?«
»Kommt einfach her. Oder fürchtet Ihr Euch vor mir? Wenn ja, hätte ich damals im Glen Affric, als Ihr mir das Buch gestohlen habt, nichts davon gespürt.«
Zögerlich und misstrauischen Blickes trat Julius auf sie zu.
»Näher«, forderte sie ihn auf, als er auf Armes Länge vor ihr stehen blieb. Erst, als er einen weiteren Schritt nach vorne gemacht hatte und sie den penetranten Schweißgeruch, der von ihm ausging, kaum noch ertragen konnte, gab sie sich zufrieden.Sie fixierte seine Augen, starrte ihn so intensiv an, wie ihr möglich war, erlaubte ihrem Blick kein Abweichen, keine Unsicherheit. »Julius«, erklärte sie eindringlich. »Wir brauchen. Dieses. Buch. Das Buch, das Ihr mir gestohlen habt.«
Der Druide setzte zu einer Entgegnung an.
»SCHWEIGT!«, brüllte sie. »Und hört mir zu!« Erschrocken sprach sie weiter: »Ihr habt das Buch gestohlen, das uns eine Chance gegen die Schatten geben könnte. Möglicherweise die
einzige
Chance, die wir noch haben. Ihr habt es uns gestohlen, als wir versucht haben, es zu übersetzen und seine Geheimnisse zu entschlüsseln, und habt es Cintorix in die Hand gegeben, dem hinterhältigen, intriganten Cintorix, den Ihr von allen Druiden Norwegens am besten kennen solltet. Ihr musstet wissen, dass Cintorix das Buch vor allem für
seine
Zwecke verwenden würde, nicht für die unseres Volkes. Und Ihr habt es dennoch getan. Damit seid Ihr selbst ein Verräter. Ihr, Julius vom Stamme der Helvetier, seid ein Verräter am Volk der Kelten. Aufgrund Eures Verrats werden Menschen sterben. Hunderte, ja, Tausende gar. Er
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