Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
wurden.
»Hmmm.« Ingmar kratzte sich die Stirn. »Man lernt wohl nie aus.«
Derrien steuerte eine Sitzgruppe an, wo sie hoffentlich nicht so gut belauscht werden konnten wie irgendwo am Rande der Tanzfläche. Er winkte einer Bedienung und bestellte Cocktails und Bier für vier – und versprach dem Mädchen ein üppiges Trinkgeld, wenn sie für etwas Spaß sorgen würde, ganz im Sinne ihrer Tarnung.
»Was wollt ihr Jungs denn?«, fragte das Mädchen. Sie beugte sich dabei tief nach vorne und zeigte ihnen dabei den Ansatz ihrer Brüste, so, als ob sie sich selbst anbieten wollte.
»Etwas Härteres«, meinte Derrien.
»Wie hart?«
»Äh …« So genaues Nachfragen hätte er nicht erwartet. Dafür hatte er sich nichts bereitgelegt.
»Mit Würgen und so«, sprang Ingmar in die Bresche.
Das Mädchen richtete sich abrupt wieder auf. Offenbar war ihr das eine Spur
zu
hart. »Ich werde mich mal umhören«, meinte sie noch, bevor sie in der Menge verschwand.
»Würgen?«
, fragte Tom ungläubig nach. Torge bedachte Ingmar mit einem angewiderten Blick. Nur Åse blieb ruhig – sein Talent, Lügen zu durchschauen, half ihm offenbar dabei, durch Ingmars Fassade zu sehen.
Dieser zuckte mit den Schultern. »Warum nicht?«, fragte er, als ob es bei ihm zur Tagesordnung gehörte, die Freundin beim Sex halb totzuwürgen.
»Du bist ein perverses Stück Scheiße«, erklärte Tom.
»Ja was? Anal kriegste oben auch! Hier unten musste schon einen draufsetzen, um glaubwürdig zu bleiben!«
»Trotzdem perverses Stück Scheiße …«
Ab da hörte Derrien ihnen nicht mehr zu. Er hatte einen Mann entdeckt, der den Begriff »Rattenmensch« beinahe schon auf die Stirn tätowiert trug. Es war ein junger Mann, vielleicht zwanzig, vielleicht auch noch knapp darunter, mit Muskelshirt und Lederhose, beides in Schwarz. Über seinem Stuhl hing eine Bikerweste, eine Jeansweste mit einem knappen Dutzend Aufnähern.Auf dem Oberarm trug er ein Tribal-Tattoo, in dem Derrien glaubte, Klauenzeichen erkennen zu können. Sein linkes Ohr war mehrfach gepierct, die Springerstiefel an seinen Füßen waren so klobig, dass sie vermutlich ein Messer oder vielleicht sogar eine kleine Pistole verbargen.
Derrien beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Der Mann trank Bier an der Theke, und nicht zu knapp, so dass zu hoffen war, dass er bald pissen gehen musste. Doch er schien eine starke Blase zu haben. Er leerte ein Glas, dann noch eines und war mit dem dritten schon zur Hälfte durch, als er endlich aufstand.
»Torge«, murmelte Derrien. »Du weißt, was zu tun ist.«
Das Talent warf ihm einen hastigen Blick zu, strich sich die schwarzen glatten Haare aus dem blassen Gesicht. Eine Ader pochte an seiner Schläfe, schnell genug, um seine Angst zu verraten. »Okay.« Torge nickte hektisch, als ob er sich selbst noch davon überzeugen müsste, dass es tatsächlich okay war. »Okay, okay.«
Ingmar klopfte ihm auf die Schulter. »Viel Glück. Ich drück dir die Daumen.«
»Ja, viel Glück«, meinte auch Tom.
Torges Kraft war überaus wild. Sie tat nichts anderes, als ihm die Aura eines frisch erwachten Druiden zu geben, wild und roh und auffällig wie ein bunter Hund. Er konnte sich der Aufmerksamkeit jedes Schatten in der weiteren Umgebung sicher sein, sobald er sie aktivierte, und auch magiewahrnehmende Ratten würden ihn bemerken.
Mit zittrigen Knien stand Torge auf und verschwand in der Menge. Er würde in eine benachbarte Halle gehen und dort die Kraft aktivieren. Dann würde er laufen.
Die Schatten konnten sich das einfach nicht entgehen lassen, eine wilde Aura in ihrer Unterwelt. Das war praktisch ein Druide frei Haus, ein Geschenk des Schicksals. Draußen vor dem Eingang zum
Ultraviolent
wartete ein Fluchtwagen. Wenn es Torge tatsächlich so weit schaffte, hatte er eine Chance zu entkommen. Eine kleine Chance, aber besser als nichts. Zusammen mit dem Gefühl, möglicherweise die Welt zu retten – das hatte ihm Derrienso eingeredet, als sie den Einsatz geplant hatten –, war das Torges Motivation. Derrien fürchtete bloß, dass das junge Talent nicht beides haben würde. Entweder Überleben oder Welt-Retten. Beides? Er schüttelte leicht den Kopf.
Der Rattenmensch hatte mittlerweile das Scheißhaus erreicht. »Ihr beide wartet hier«, befahl Derrien Tom und Torge, bevor er Åse zunickte und aufstand. »Ich gehe rein. Kommt nach, sobald sich Schwierigkeiten ergeben. Ich brauche fünf Minuten, nicht länger.«
Ingmar nickte. »Okay, Boss.«
Der
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