Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
Fingers fing an, ihm Sorgen zu machen, und auch das grelle Rauschen des schwankenden Tisches schien nicht normal. Spice’ irres Quieken auf Mickeys Zunge schmeckte verzerrt salzig.
~Du bereit?~, verstand er plötzlich einzelne Worte im Chaos seiner Sinneswahrnehmungen. Er konnte nichts antworten. Woher zum Teufel sollte er wissen, ob er bereit war? Doch als der andere Rattenmensch plötzlich mit der Zunge über den angenagten, blutverschmierten Stumpf des Fingers leckte, machte Mickey es ihm nach. Es war irgendwie … wichtig. Vor Mickey öffnete sich ein Kaleidoskop aus Farben und Geräuschen. Er riss die Augenweit auf, alle vier Stück, und starrte in den bunten Abgrund, als dieser ihn verschlang.
Dunkelheit umfing ihn. Tiefschwarz flimmernde Dunkelheit. Mickey spürte, dass er wach war. Und dennoch sah er nichts als Finsternis. Er versuchte, etwas anderes wahrzunehmen als nur die Dunkelheit, scheiterte aber. Sein Körper – beide Körper – schien verschwunden zu sein. Sergeant Spice schien verschwunden zu sein.
Zeit verging. Zumindest glaubte er das, irgendwie schien sein Verstand nicht ganz auf der Höhe zu sein. Seine Gedanken waren zäh wie Klebstoff in seinem Gehirn. Denken war mühsam und anstrengend. Er beschloss, es zu lassen, und wartete stattdessen darauf, dass etwas passierte.
Doch es passierte nichts. Nichts und gar nichts, nicht einmal nichts. Nichts, nichts. Nichts. Hatte er den Verstand verloren?
Er wartete weiter. Äonen schienen zu vergehen. Mickey befiel das Gefühl, etwas zu verpassen, während draußen weiße Gletscher tiefe Furchen in die Landschaft pflügten und Kontinente über die Ozeane schwammen. Aber er konnte nichts tun. Also wartete er.
Eine blechern klingende Stimme. Plötzlich öffnete sich vor ihm die Welt. Ein Korridor, merkwürdig hochkant stehend. Steriles Weiß, dazu das Chromglänzen eines Krankenhausbettes. Augenzwinkern. Nicht
sein
Augenzwinkern, aber eindeutig Augenzwinkern. Der Korridor fiel plötzlich in die Waagrechte und verursachte bei Mickey ein wildes Schwindelgefühl. Ein Ärmel, dann war wieder Schwärze, dann erneutes Augenöffnen.
Dieses Mal war die Sicht schärfer, auch wenn die Kanten noch immer wellenartig waberten. Vor sich sah er eine fremde Gestalt in einer roten Regenjacke. Ein Mann, dürr wie eine Bohnenstange, die Augen aufmerksam wie ein Wachhund. Seine Hände verschwanden in den Jackentaschen. Eine davon war ausgebeult.
»Ich sagte, ich wurde gesandt, um dich auszulösen.« DieStimme wurde jetzt klarer. Mickey glaubte, sich an sie erinnern zu müssen.
»Aha …« Die zweite Stimme hatte einen merkwürdigen, dumpfen Unterton. Alles in Mickey schien zu vibrieren, als er sie hörte. »Warum … Wer hat dich geschickt?«
»Der Boss.« Mickeys Sicht verfolgte den Mann dabei, während sich dieser auf einen Sitz in einer Sitzgruppe niederließ. Er schien nun auf Augenhöhe zu sein. »Wir bewachen wohl dieses Zimmer dort?«
»Ja … Aber ich verstehe nicht ganz … Der Boss hat dich geschickt?« Auch Mickey verstand nicht ganz, obwohl ihm langsam klar wurde, was er hier hörte und sah. Der Sprecher … war das Colt?
»Ja. Auf wen passen wir hier eigentlich auf? Die junge Queen?«
Mickeys Sicht schwankte hin und her und vergrößerte damit die Übelkeit. Er fühlte Brechreiz. Er schluckte mehrmals, woraufhin es ein wenig besser wurde.
»Nein«, antwortete Colt, »die Queen ist doch in Schweden! Wir bewachen Frederik. Das ist der Mann aus dem Sicheren Haus in Åndalsnes.«
Mickey konnte so oft schlucken, wie er wollte – die Übelkeit, die er
jetzt
empfand, würde kein Schlucken der Welt vertreiben. Sie kam von innen heraus, war eine Schockreaktion auf Colts Worte. Hatte der junge Rattenmensch etwa wirklich so einfach ihre Geheimnisse ausgeplaudert? Kein Wunder, dass Geshier ihn in Schweden gefunden hatte!
»Ach ja, richtig«, meinte der Mann in der Regenjacke. Sein Gesicht flimmerte noch immer, obwohl sich Mickey mittlerweile fast hundertprozentig sicher war, ihn kennen zu müssen. »Frederik also. Wie geht es ihm?«
»Er hat viel Blut verloren. Aber die Ärzte meinen, dass er sich erholen müsste.«
»Das ist gut. Meinst du, wir können ihn von hier wegbringen? Der Boss lässt in diese Richtung anfragen.«
»Ich weiß nicht …«
»Na gut, das werde ich mal mit den Ärzten besprechen. Ich habe ja jetzt Zeit. Du kannst jetzt erst mal zu deinen Kumpels gehen und mit ihnen frühstücken, was hältst du davon?«
Mickey sah einen Arm mit
Weitere Kostenlose Bücher