Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
bisher noch immer geworden. Wolfgang war durchaus zuversichtlich.
»Wir haben nur den einen Versuch«, erinnerte Keelin.
»Nein. Wir haben nur die eine Ablenkung. Versuchen können wir es immer wieder.«
Zumindest so lange, bis sie uns kriegen.
Doch Wolfgang hatte nicht vor, sich kriegen zu lassen. Das hatten schon ganz andere versucht.
Vor ihnen auf der Straße sah er nun ebenfalls einige Männer im Rot der Garde, die grimmig in ihre Richtung blickten und die Leute aufhielten, die den Marktplatz verlassen wollten. Ein merkwürdiges Verhalten, befand Wolfgang und sah sich um.
Auch hinter ihnen waren Gardisten aufgetaucht. Auf einmal wirkte die Situation brenzlig. Adrenalin flutete Wolfgangs Körper und ließ sein Herz schneller schlagen. Ohne Umschweife steuerte er nach rechts, um dort über eine Seitengasse davonzukommen, just als dort weitere rote Wämser erschienen.
»Geh!«, zischte er Keelin zu. »Wir treffen uns im Morgengrauen am Nordtor!«
»Was?«, fragte sie halblaut.
»Geh! Wir haben keine Zeit!« Noch war er sich nicht sicher, dass die Gardisten ihretwegen hier waren, doch die Chancen standen nicht schlecht. Wenn Wolfgang etwas war, dann vorsichtig. Sie würden nicht beide von ihnen kriegen. Definitiv nicht.
Hastig sah er sich um. Auf dem Marktplatz befanden sich mittlerweile zwei Dutzend Gardisten, eventuell sogar mehr. Von jeder Gasse leuchteten ihm zwei rote Waffenröcke entgegen. Er fragte sich, ob es wohl noch Sinn machte, so zu tun, als ob es sich gar nicht um ihn drehte.
»WOLFGANG!«, brüllte eine Männerstimme über den Platz und beantwortete Wolfgangs Frage. »Sohn eines dänischen Ochsen und einer sächsischen Hure! Leg die Waffen nieder und ergib dich!«
Etwas war schiefgegangen. Gewaltig schiefgegangen sogar, wenn sie seinen Namen kannten. Hatte ihn jemand verraten? Gaius aus Allobroga und seine Mitbewohner fielen ihm ein. HattenCintorix’ Leute herausgefunden, dass sie ungebetene Gäste beherbergt hatten? Hatte er dort überhaupt seinen wahren Namen erwähnt?
Keine Zeit, das herauszufinden.
Es half nichts mehr, so zu tun, als ob sie nicht hinter ihm her waren. Das Versteckspiel war vorüber.
»ERGREIFT IHN!«, brüllte der Gardistenhauptmann, der offenbar zum gleichen Schluss gekommen war.
Wolfgang sah sich schnell um, sah die Gardisten ausschwärmen und näher kommen. Hinter ihm stand ein Händler vor seiner Bude, der gerade eben noch Zinnbarren in eine Kiste sortiert hatte und nun ängstlich beobachtete, wie sich die Situation entwickelte. Ohne jegliche Vorwarnung sprang Wolfgang ihn an. Das Gerangel war kurz und völlig einseitig, der Mann war überrascht und in keiner Weise auf einen so plötzlichen Angriff vorbereitet gewesen. Im nächsten Moment hatte Wolfgang ihm den Dolch abgerungen und rannte los, vorbei an eingeschüchterten Marktbesuchern und erschrockenen Händlern, sprang über Tische und Stände. Hinter ihm brach Chaos aus, er hörte wüste Rufe und Schreie, sowohl von den Leuten, die er zur Seite rempelte als auch von den Gardisten, die versuchten, ihn aufzuhalten.
Die beiden Rotwämser vor der Gasse, auf die er zuhielt, senkten ihre Speere. Doch sie zögerten, die Unsicherheit in ihren Gesichtern war deutlich zu sehen. Sie hatten Befehle, ihn auf dem Platz festzunehmen, aller Wahrscheinlichkeit nach wussten sie nicht, ob sie ihn töten durften oder nicht.
Wolfgang rannte ihnen entgegen, sprang zur Seite, kurz bevor er in ihre Reichweite kam, wich einem halbherzigen Stich aus und rempelte einen der beiden zu Boden. Für einen weiteren Speerstich war er nun viel zu nahe, und bis der Gardist sein Kurzschwert gezogen hatte, hatte Wolfgangs Dolch die Sache längst entschieden. Röchelnd sackte der Mann in sich zusammen, die Hände am Hals im aussichtslosen Versuch, das Blut aus seiner aufgeschnittenen Kehle zurückzuhalten, während Wolfgang dem zweiten ins Gesicht trat. Er hörte die Nase des Gardisten brechen, bückte sich nach dem Schwert des ersten und hastete in die Gasse.
Keelin!
, schoss es durch seinen Kopf, als er vom Marktplatz stürmte, doch er hatte keine Zeit, sich nach ihr umzusehen. Er musste sich selbst retten, durfte nicht die gesamte Mission riskieren, um nach ihr zu sehen. Für einen Moment hasste er sich für diesen nüchternen, rationalen Gedanken, empfand Mitleid für das Mädchen, das es nie leicht gehabt hatte, das zu nett war für das, was das Schicksal für es bereitgehalten hatte, doch dann wischte er den Gedanken zur Seite. Er rannte
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