Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
mindestens eines Kellergeschosses schloss. Die Türen bestanden aus schwerem Eichenholz. Wolfgang hätte zu gerne erforscht, was sich dahinter verbarg, doch ein quer über den Gang gestellter Tisch ließ keine Experimente zu. Der Gardist dahinter deutete auf eine Tür, die vor dem Tisch nach links in einen Saal führte.
»Zur Audienz hier rein. Aber ihr werdet nicht sprechen dürfen. Ihr seid viel zu spät.«
»Habt Dank, Herr«, murmelte Wolfgang einmal mehr und folgte der Anweisung des Mannes.
Der Audienzsaal war ein großer Raum, etwa zwanzig Meter in der Länge und zehn in der Breite. Die Wände waren alle fünf Meter mit großen roten Tuchbahnen behängt, auf denen aufStirnhöhe die weiße Spinne prangte. Davor standen weitere Gardisten, bärtige Gesellen mit größtenteils gelangweilten Gesichtern. Ein Großteil des Raumes war angefüllt mit meist armselig gekleideten Bittstellern, nicht wenige davon mit großen Mengen Straßendreck an Stiefeln und Hosen. Offenbar waren Keelin und Wolfgang nicht die Einzigen, die eine längere Anreise hinter sich hatten. Anscheinend war die Unzufriedenheit in Cintorix’ Reich weit verbreitet – aber noch schien den Helvetiern eine weite Anreise die Mühe wert zu sein. Sprach der Fürst etwa trotz seines Verrats noch gerechte Urteile?
Cintorix hatte am Kopfende des Saals Platz genommen, auf einem erhöhten Podest, das Wolfgang an einen Gerichtssaal Utgards erinnerte. Die Spinne saß in höchst korrekter Haltung auf ihrem Stuhl, aufrecht und gerade, der Lippen-Kinnbart tadellos rasiert, die dunklen Haare sorgfältig gescheitelt und zusammengebunden. Im Gegensatz zu all seinen Männern trug er Schwarz, von den ledernen Hosen über das Wams bis hin zu den Handschuhen und dem Halstuch. Nur eine kleine weiße Brosche an seinem Hals verriet ihn. Flankiert wurde er durch zwei Männer, die weiter unten auf dem Podest saßen, ein grauhaariger Falke und ein junger, durchtrainierter Krieger. Einmal mehr fühlte sich Wolfgang versucht, sein Magiegespür zu aktivieren. Einmal mehr hielt er sich zurück.
Vorne in der Menge trug gerade ein älterer Mann einen Fall vor. Offenbar hatte sich ein Schatten in seinem Langhaus einquartiert und ihn mitsamt seiner Familie, seinen Bediensteten und Tieren hinausgeworfen. Anscheinend hatte der Mann vorher großes Ansehen genossen, war ein Hauptmann irgendeines vergangenen Kriegszuges und hoffte nun, dass das genügte, um den Fürsten für sich und gegen einen Schatten einzunehmen. Wolfgang musste innerlich den Kopf schütteln. So selbstsicher sich Cintorix auch geben mochte, Wolfgang konnte sich einfach nicht vorstellen, dass seine unheilige Allianz mit den Schatten nach so kurzer Zeit schon sehr stabil war. Der Fürst und Häuptling würde Rücksicht nehmen müssen auf die Befindlichkeitenseiner neuen Verbündeten. Das Beste, was der geschädigte Helvetier herausschlagen würde, war ein Aufschub des Urteils.
Auf ein Handsignal hin verstummte der Bittsteller. Cintorix erhob sich. »Dividorix von Leuk 31 «, erklärte er mit überraschend weich klingender Stimme. »Das sind schwerwiegende Anschuldigungen , die Ihr hier macht. Ich kann darüber nicht urteilen, ohne mit dem Mann gesprochen zu haben, den Ihr beschuldigt.«
»Herr.« Der frühere Hauptmann verneigte sein Haupt. »Er wird mit Sicherheit alles abstreiten und so darlegen, wie es ihm zunutze kommt.«
»Dann steht Euer Wort gegen seines. Selbst wenn ich wollte, könnte ich so nicht urteilen.«
»Mein Wort genügt Euch nicht?« Die Stimme klang entrüstet, obwohl der Mann versuchte, sich zurückzuhalten. »Dem Druiden Lucius hat es über Jahrzehnte hinweg genügt.«
Cintorix’ Augenbrauen zogen sich geringfügig zusammen. »Der Druide Lucius ist tot. Seine Aufgabe hat der Übernatürliche Urkash übernommen. Damit ist er Euer Herr, Dividorix. Es ist eine Schande, Euch hinter seinem Rücken an mich zu wenden, aber ich habe versprochen, bei meinen Audienzen alle Stimmen zu hören, die hier erhoben werden. Aber erwartet keine Ungerechtigkeit von mir! Bringt mir einen Mann, der Eure Geschichte beschwört, und ich werde meinen Rechtsspruch noch einmal überdenken. Bis dahin aber kehrt zurück in Euer Dorf und hofft, dass Euch Urkash nicht allzu böse gesinnt sein wird.«
»Aber Herr –«
»Hinfort!«
Mit einer Handbewegung scheuchte Cintorix den Mann davon. Wolfgang schielte zu den Wachen, rechnete schon fast damit, dass sie einschreiten und den früheren Hauptmann aus dem Raum zerren
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