Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
erneut stehen blieb. Seine Selbstzufriedenheit war plötzlich wie weggefegt.
Von wegen das Rätsel gelöst! Seog, du Narr!
Einen bewusstlosen Druiden würde man bis zu seinem Erwachen im Haus eines Heilers unterbringen, ganz bestimmt nicht irgendwo in der Wildnis. Warum also hatte man ihn hier versteckt? Einem Druiden zu helfen war Ehrensache und konnte einen großen Gefallen einbringen. Warum sollte man das verheimlichen? Wer konnte ein Interesse daran haben, die Heilung eines Druiden zu verzögern?
Seog leckte sich über die Lippen. Ein Gegner natürlich. Druiden besaßen in der Innenwelt nicht viele Gegner. Denn dass dies die Innenwelt war, daran hatte Seog keinen Zweifel: In der Außenwelt hätte er längst Flugzeuge am Himmel und Schiffe auf dem Meer gesehen. Abgesehen davon war der allgegenwärtige Lärm der Außenwelt am gesamten Fjord bis hinauf auf die umliegenden Berggipfel zu hören. Doch auch der Lärm fehlte, also musste es die Innenwelt sein. Logisch. Zurück zu den Gegnern. Eigentlich dürfte keiner der Gegner der Druiden hier am Romsdalsfjord eineBedrohung darstellen, doch irgendetwas in ihm regte sich bei dem Gedanken an Gegner … Der Hauch einer Erinnerung …
Es hatte einen Kampf gegeben … in Kêr Bagbeg 3 , seiner Heimatstadt , die auch irgendwo am Romsdalsfjord lag. Aber wer hatte sie dort angegriffen? Nain 4 ? Das Siedlungsland der Bretonen 5 war schon lang von den Nain bedroht, aber etwas in Seog verwarf diesen Gedanken. Es waren keine Nain gewesen …
Ein Frösteln lief durch seinen Körper. Er ignorierte es. Kälte konnte ihm als Druiden nichts anhaben, seine Regenerationskräfte würden ihn vor Krankheiten ebenso bewahren wie vor Wunden. Nachdenklich leckte er sich über die Lippen. Für einen kurzen Moment glaubte er sich an den Kampf erinnern zu können. An einen Schildwall an der Furt der Rauma bei Kêr Bagbeg. Der Regen war herabgeprasselt, als ob der Wettergott Tarannis höchst persönlich den Kelten gezürnt hätte, und plötzlich waren da Feinde in der Furt gewesen, heulend und kreischend und blutrünstig, und hatten sich gegen seinen Schildwall geworfen. Sie hatten ihn überrannt, er selbst war verwundet worden …
Nein.
Seog schüttelte den Kopf. Er war
getötet
worden. Plötzlich erinnerte er sich haargenau daran, wie er im Gedränge gestürzt war, wie dieser blutüberströmte Kerl mit dem merkwürdigen Symbol auf der Stirn über ihm aufgetaucht war, wie er mit seiner Klinge auf ihn eingeschlagen hatte. Da war dieser furchtbare, dieser grausige Schmerz in seinem Hals gewesen, als der Mann ihn getroffen hatte, und dann war alles ziemlich schnell verblasst – die Farben, die Geräusche, ja selbst der Schmerz in seinem Hals. Dumpf hatte er gespürt, dass der Mann ein zweites Mal auf ihn eingehackt hatte, verschwommen hatte er gesehen, dass das Schwert sogar ein drittes Mal zum Schlag ausgeholt wurde – und das war das Letzte, woran er sich erinnern konnte.
Man hatte ihn in diesem Gefecht an der Furt getötet, so viel wusste er nun. Zu seinem Glück hatte sein Angreifer jedoch keine magische Klinge besessen, sonst wäre Seog nun wirklich tot. So aber hatte seine druidische Regeneration begonnen, die Wunde zu reparieren, während irgendjemand seinen Körper hier versteckt hatte.
Seog leckte sich über die Lippen. Man hatte ihn versteckt, weil man seine Heilung nicht in aller Öffentlichkeit hatte abwarten können, so viel war ihm nun klar. Das aber konnte nur bedeuten, dass die Bretonen verloren hatten – nicht nur das Gefecht an der Furt, sondern den gesamten Krieg. Wer auch immer ihr Gegner gewesen war, war nun Herrscher über den Romsdalsfjord. Deshalb hatte man ihn versteckt. Deshalb hatte man ihn nur so flach eingegraben, dass er sich selbst befreien konnte, sobald er wieder zum Leben erwacht war.
Ich muss vorsichtig sein
, dachte er, als er weiterging. Mühsam quälte er sich den Hang hinab, halb steigend, halb rutschend. Seine Kleider waren bald über und über verdreckt, während ihm das Regenwasser über den kahlrasierten Schädel rann.
Es war eine Festnacht gewesen, erinnerte er sich. Die Mittsommernacht. Er konnte sich daran erinnern, in den frühen Morgenstunden geweckt worden zu sein. Derrien Schattenfeind, der erfahrenste und angesehenste unter den bretonischen Druiden, hatte ihn wecken lassen, um auf den Berg zu klettern und nach dem Signalfeuer der heiligen Insel Sekken zu sehen. Irgendetwas hatte Derrien misstrauisch gemacht. Seog war betrunken gewesen vom
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