Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
süffigen Bier, sein Schädel hatte geschmerzt, als wäre eine Ochsenherde darüber hinweggestampft. Er trank nur selten Alkohol, und er war sich ziemlich sicher, dass er sich an jenem Abend unsterblich blamiert hatte. Ständig darüber nachdenkend, wie er diese Blamage überstehen konnte, war er den Berg hinaufgestiegen und hatte fast schon den Zweck der nächtlichen Wanderung vergessen. Als er sich umdrehte, um nach dem Leuchtfeuer zu sehen, lag die Insel Sekken in völliger Dunkelheit. Kein Leuchtfeuer. Keine Gefahr. Er wäre beinahe wieder hinabgestiegen, doch dann entdeckte er die Truppen, die unten am Uferpfad den Fjordentlang marschierten, direkt auf Kêr Bagbeg zu. Der Schrecken darüber hatte ihn schlagartig nüchtern werden lassen. Er hatte sein Horn geblasen, um die Stadt zu warnen, dann war er zurückgerannt, so schnell er konnte. Zweimal hatte er auf dem Weg erbrechen müssen, als sein Magen gegen die Kombination aus zu viel Essen, zu viel Alkohol und zu viel Anstrengung rebellierte, aber er hatte es noch vor dem Feind zurück in die Stadt geschafft.
Er schüttelte den Kopf. Er war gerade rechtzeitig gekommen, um das Gefecht an der Furt zu verlieren. Weder er noch seine Krieger hatten dem Ansturm der Germanen viel entgegenzusetzen gehabt.
Germanen? Er hielt erneut inne. Für einen Moment zweifelte er an den eigenen Gedanken. Die Germanen waren seit dem Letzten Germanenkrieg ausgerottet, besiegt von der Allianz der Stämme – den Kelten, den Slawen, den Finnen, den Römern und all den anderen.
Und doch …
Es waren Germanen gewesen. Zu gut konnte sich Seog an die im Regen verlaufenen Berserkerrunen erinnern, die einige der Angreifer auf der Stirn getragen hatten, zu eindrucksvoll kehrte ihm ihr Sturmangriff auf seinen Schildwall zurück ins Gedächtnis. Die Germanen waren da. Offenbar hatten sie die Bretonen geschlagen und herrschten nun über den Romsdalsfjord. Vermutlich waren die Bewohner des Fjordes in Leibeigenschaft geraten.
Doch warum hatte ihnen niemand geholfen? Mittlerweile war Herbst, seit der Mittsommernacht war schließlich eine geraume Zeit vergangen! Was war mit den Schotten und Walisern, den Iren und Helvetiern 6 ? Warum hatten sie die Zeit nicht genutzt, um zurückzuschlagen und ihre bretonischen Brüder zu befreien?
Doch mittlerweile vermutete Seog, dass sie selbst angegriffen worden waren. Die Rückkehr der Germanen, so befürchtete er, hatte ein weitaus größeres Ausmaß als nur den Überfall auf den Romsdalsfjord.
Mittlerweile hatte er den Waldrand erreicht. Unter ihm befanden sich matschige Wiesen, die einen guten Ausblick auf den Fjord boten. Endlich konnte er sich orientieren und stellte fest, dass er sich am Südufer befand, deutlich westlich Kêr Bagbegs. Graue Berge, mit weißen Schneefeldern betupft, erhoben sich majestätisch um das Wasser und verschwanden bald in der niedrig hängenden Wolkendecke. Direkt unter ihm sah Seog nun eine Siedlung, am Ende der Weiden, die sich den Hang hinab erstreckten. Nach Maßstäben des Romsdalsfjords war es eine große Siedlung, mit gut einem Dutzend stattlicher Langhäuser und zahlreichen kleinen Rundhütten. Ilan Keoded 7 , wenn Seog richtig vermutete.
Ihm fiel auf, dass auf der grauen Oberfläche des Fjords kein einziges Segel zu sehen war, doch das wunderte Seog nicht sonderlich. Schon seit Monaten machte ein Wasserdämon die Gewässer der Gegend unsicher und behinderte den Fischfang. Vermutlich hatten auch die Germanen noch keine Lösung für dieses Problem gefunden. Auch sonst war weit und breit keine Menschenseele zu sehen, die Menschen versteckten sich unter ihren Dächern vor Regen und Kälte und beschäftigten sich mit Winterarbeit. Zum Glück besaßen die Wohnhäuser keine oder kaum Fenster, so dass er eine gute Chance hatte, ungesehen in das Dorf zu gelangen. Dennoch musste er vorsichtig sein. Die Germanen durften ihn nicht sehen, und auch vor den Leibeigenen durfte er nicht gleich alles preisgeben. Es genügte ein einziger Mann, der ihn bei den Germanen verpfiff, um seine Freiheit und vielleicht sogar sein Leben in Gefahr zu bringen.
Ilan Keoded
, überlegte er. Aber was sollte er dort tun? Wenn die Germanen zurück waren, bedeutete das doch, dass die Druiden getötet waren. Bei dem Gedanken daran, dass mit den Druiden auch alle Fürsten tot sein könnten, inklusive Häuptling Nerin, Fürst Ronan und dessen Bruder Derrien Schattenfeind, wurde ihm angst und bange. Wer würde ihm sagen, was er tun sollte, wenn nicht die
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