Schattenfürst - Landers, K: Schattenfürst
Sein weißer Haarkranz, zu dem sich ein Kinnbart gesellte, unterstrich die vom Weinkonsum stammende Gesichtsröte.
Ihr Vater sah sie mit zusammengekniffenen Lippen an und trommelte mit den Fingern auf die Lehne.
„Dominik, Fürst Karolyí“, antwortete Karolina. Trotzig streckte sie ihr Kinn nach vorn.
„Der Schwarze Fürst?“, rief er aus und sprang vom Sessel auf.
„Hätte ich nur gewusst, um wen es sich handelte, wäre ich sofort nach draußen gekommen, um dich aus den Klauen dieses Schwerenöters zu reißen!“ Der Teint des Vaters wechselte von puterrot zu kreideweiß. Er steckte den Zeigefinger in den viel zu engen Kragen und keuchte.
„Ich verstehe dich nicht, Vater. Fürst Karolyí erschien mir sehr ritterlich.“ Mehr wollte sie ihrem Vater nicht gestehen, denn hätte sie von dem Überfall der beiden Straßenräuber erzählt, wäre er außer sich gewesen und ihr Hausarrest verlängert worden. So schwieg sie.
„Ritterlich? Pah! Dieser Fürst ist alles andere als das.“ Karolinas Vater ballte die Hände zu Fäusten.
„Das mag ich mir nicht vorstellen. Sein Benehmen war das eines Edelmannes. Du solltest lieber dankbar sein.“
„Kind, weißt du eigentlich, mit wem du es zu tun hast? Der Fürst ist bekannt für sein ausschweifendes Leben, für seine vielen Liebschaften. Willst du eine von seinen Mätressen werden? In seinem Schloss soll es spuken, seine Bediensteten bekommen ihn nur selten zu Gesicht, weil er ausschließlich nachts ausgeht. Nicht auszudenken, was dir in Gegenwart dieses ruchlosen Mannes hätte geschehen können!“
„Aber Vater, ich fühlte mich in seiner Begleitung sicher. Im Ort wird über viele schlecht geredet. Vielleicht auch über ihn ... weil er anders ist.“ Karolina verspürte das Gefühl, den Fürsten verteidigen zu müssen.
„Karolina, widersprich mir nicht. Ich verbiete dir, auch nur in die Nähe dieses Mannes zu gelangen. Er ist mit dem Bösen im Bunde!“
Karolinas Vater begann zu zittern und sackte im Sessel zusammen. Er presste die Hand gegen seine Brust und stöhnte auf.
„Vater, was ist mit dir?“ Besorgt stürzte Karolina zu ihm und ergriff seine eiskalte, zittrige Hand. Sie wusste um sein schwaches Herz. Jede Aufregung bedeutete Gift für ihn.
„Es ist wieder der Schmerz in meiner Brust, mein Kind“, antwortete er matt und tätschelte ihre Hand.
„Deiner ständigen Widerspenstigkeit muss ich ein Ende bereiten. In einem Kloster wird man dir Anstand beibringen und zeigen, wie sich eine Dame verhält.“
„Aber Vater, das ist doch nicht dein Ernst! Willst du deine Tochter diesen bigotten Nonnen anvertrauen?“ Er hatte es ihr oft angedroht und nicht ausgeführt. Karolina erschrak über die Entschlossenheit in seinem Blick.
„Wie kannst du so reden? Im Kloster leben nur gottesfürchtige Nonnen. Schwester Tereza ist zuverlässig und besitzt genügend Strenge, um dich zur Raison zu bringen. Ich werde ihr einen Brief senden, in dem ich sie bitte, dich aufzunehmen.“
„Nein, Vater, bitte schick mich nicht fort. Nie wieder werde ich dich erzürnen. Ich tue alles, was du verlangst, das verspreche ich.“ Karolina kniete sich vor ihn und sah flehend zu ihm auf.
„Karolina, du wirst nichts an meiner Entscheidung ändern können. Die Würfel sind gefallen.“ Er schob ihre Hand von sich und senkte den Blick.
Karolina erhob sich und wusste nun, dass an der Entscheidung des Vaters nicht mehr zu rütteln war. Sie dachte an Schwester Tereza, eine verhärmte Frau, und eine eiskalte Hand griff nach ihrem Herzen. Nicht eine Woche könnte sie in diesem Kloster überleben. Sie würde hungern, so lange, bis ihr Vater Einsehen zeigte und sie herausholte.
Trotzig streckte sie das Kinn vor. „Vater, ich werde mich fügen. Doch du verstößt dein einziges Kind und gibst es in die Arme dieser verbitterten Nonnen. Möge Gott deiner Seele gnädig sein.“
Sie drehte sich um und verließ eiligen Schrittes den Salon.
Karolina fand keinen Schlaf, aufgewühlt durch das Geschehen der vergangenen Nacht und den Streit mit ihrem Vater. Niemals würde sie ins Kloster gehen.
Unruhig wälzte sie sich in dem breiten Bett hin und her. Immer wenn sie die Augen schloss, sah sie den Fürsten Karolyí vor sich - und seinen begehrlichen Blick.
Ihr Puls schoss in die Höhe, als sie sich vorstellte, wie sich wohl seine Lippen auf den ihren anfühlen mochten.
Die Vorhänge bauschten sich im Wind und warfen gespenstische Schatten an die Wand. Ein Gefühl der Enge ließ sie das
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