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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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dreihundert Kilometer vor der Küste enden sollte. Außerdem wurde in Minhorne eine neue Art von dampfbetriebenem Schiff gebaut. Ishmael seufzte und bedauerte, dass keine Frauen von Seemännern anwesend waren. Die einzige Fertigkeit, die Vladimer Frauen je zugebilligt hatte, war ihre Nützlichkeit, wenn es um Klatsch und Tratsch ging. Wenn Ishmael mehr über die Menschen erfahren wollte, musste er nach Norden gehen.
    Aber dazu war er noch nicht bereit. Stattdessen kehrte er auf das Eiland zurück, fischte, baute in der salzdurchtränkten, kargen Erde Gewürze an und lernte, die Erde zu verstehen und sie zu verändern. In diesem Herbst erlebte die Insel ihre beste Kartoffelernte aller Zeiten, und Ishmael sein erstes Mahl aus gewürzter Seezunge. Er fragte sich, ob er nicht Zitronen anbauen könnte.
    Im folgenden Jahr besuchte er wieder das Festland, obwohl seine Börse keine Zitronenbäume hergab. Aber er hatte größere Sorgen als die Landwirtschaft. Die Küste war den ganzen Sommer von Plünderungen durch eine Schar Gesetzloser heimgesucht worden, die sich in einem Dorf im Westen eingenistet hatten. Ishmael lauschte mit dem Ohr eines Veteranen den Berichten über ihre Gräueltaten und stimmte zu, dass die Plünderer vertrieben werden mussten, bevor sich ihre Anzahl vermehrte und ihr Ehrgeiz weiter anschwoll, doch die vorgeschlagenen Taktiken entsetzten ihn.
    Mit beträchtlichem Gebrüll und einer Demonstration seiner Schießfertigkeit – so eingerostet sie auch war – verschaffte er sich Gehör, und weiteres Geschrei und Getobe brachte ihm Zeit ein, einen zusammengewürfelten Haufen Freiwilliger auszubilden. Zudem musste er selbst etwas von seiner alten Form zurückgewinnen. Zwar konnte er Diskussionen mit Männern gewinnen, aber nicht mit den Jahreszeiten, der Einbruch des Winters zwang sie zu einem Angriff, lange bevor er befand, dass sie bereit dazu waren. Gegen Männer zu kämpfen, war eine schauerliche, übelkeiterregende Arbeit, und sie erlitten viel zu große Verluste, als dass er ihren Erfolg als Sieg hätte bezeichnen können. Das Schlimmste war jedoch, dass er weder den Verwundeten helfen, noch ihrem Schmerz entkommen konnte. Er blieb drei Tage und Nächte wach, bis er vor Erschöpfung taumelte und wie ein Toter schlief.
    Im nächsten Sommer blieb er auf der Insel, fischte, baute Gewürze und Kartoffeln an, bewachte die Bucht und errichtete die Mauer, die vielleicht eines Tages seinen Obstgarten umschließen würde. Er sagte sich, es sei vielleicht klüger, auf der Hut zu sein, für den Fall, dass sich ein Bericht an der Küste entlang verbreitete. Er erinnerte sich an Vladimers Worte: »Wenn ein Mann wahrhaft verschwinden möchte, muss er seine alten Gewohnheiten aufgeben.«
    Er heilte den gebrochenen Flügel einer Seemöwe, dann die Wunden an seinen Händen, die ihm der Schnabel des Vogels beigebracht hatte, und er streichelte ein Krebsgeschwür weg, das die Katze des Gemeindehauses langsam tötete. Schafe, dachte er. Er sollte Schafe halten. Wenn man den Hirten in Strumheller Glauben schenken durfte, waren Schafe für jedes bekannte Gebrechen anfällig. Schafe würden ihm Übung verschaffen.
    Eines Nachts im Spätsommer saß er auf einem Fass draußen vor seiner Höhle und flickte ein Netz. Zwar war die Nacht noch klar, aber im Westen zog ein Sturm auf, und nur die Abgehärtesten und Hungrigsten hatten sich über die Bucht hinaus gewagt. Er war weder das eine noch das andere, aber er hielt Wache über diese Fünkchen von Lebenskraft auf dem kalten Meer. So kam es, dass er das Schiff spürte, das vor dem Wind segelte, noch bevor er seine Glocke hörte, die seine Vorbeifahrt signalisierte. Er spürte das Schiff, die Mannschaft, seine beiden Passagiere und diese vertraute, magische Berührung, die herrlich gereift und verfeinert war.
    Er stand auf, und das Netz glitt ihm unbemerkt aus den Händen. Er atmete den sturmschweren Wind tief ein und war sich bewusst, dass plötzlich der Schmerz einer Wunde nachließ, die sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschlossen hatte.
    ›Prinzessin Telmaine. Wie schön, wieder mit Ihnen zu sprechen .‹

Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel »Shadowborn«
    bei Roc, ein Imprint der New American Library,
    Teil der Penguin Group ( USA ) Inc.
    Deutschsprachige Erstausgabe März 2012 bei LYX
    verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH,
    Gertrudenstraße 30–36, 50667 Köln
    Copyright © 2011 by Alison Sinclair
    Published by Arrangement with Alison

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