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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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gedenke ich einzugreifen.«
    »Sie haben einander geliebt, bevor sie Rhaish í Arlisandin geheiratet hat«, erzählte Adzriel. »Eine traurige Geschichte, der richtige Stoff für eine Ballade.«
    »Was ist passiert?«
    Adzriel zuckte die Schultern. »Sie hat die Pflicht der Liebe vorgezogen, nehme ich an, und lieber den Khirnari ihres Clans als einen Außenstehenden zum Mann genommen. Aber ich weiß, dass sie Rhaish inzwischen sehr lieb gewonnen hat; es ist Nyal, der unter ihrer Entscheidung zu leiden hat. Er kommt mir wie die Art Mann vor, die nicht aufhören zu lieben, selbst wenn sich die Geliebte von ihnen abwendet. Vielleicht kann Beka sein krankes Herz heilen.«
    »Solange er dabei nicht das ihre bricht. Rhaish ist schon sehr alt. Ist er gesund?«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Er scheint nicht er selbst zu sein; die Verhandlungen ermüden ihn zweifellos über Gebühr.«
    »Er hat mehr als seinen gerechten Anteil an den Sorgen dieser Welt zu tragen«, meinte Säaban. »Zwei seiner Gemahlinnen hat er sterben sehen, eine war unfruchtbar, die zweite starb im Kindbett und das Kind mit ihr. Nun ist Amali das erste Mal schwanger. Das allein ist schwer genug für ihn; außerdem Khirnari zu sein und zusehen zu müssen, wie das eigene Volk leidet – ich kann mir kaum vorstellen, wie sehr ihn all das belastet. Ich nehme an, Amali wollte von Nyal nichts anderes als eine Schulter zum Ausweinen.«
     
    »So sehr ich mich bemühe, den Mann nicht zu mögen, ich höre nur Gutes über ihn«, murmelte Seregil, als sie zu ihrem Zimmer zurückgingen.
    »Über wen? Den Khirnari der Akhendi?«, fragte Alec.
    »Nein, Nyal. Sich um eine Geliebte zu kümmern, die einen einfach so abgelegt hat, zeigt mehr Charakter, als ich besitze.«
    Alec gestattete sich ein selbstgefälliges Grinsen. »Siehst du? Ich wusste, du irrst dich in Bezug auf ihn.«
     
    Amali kauerte in der Dunkelheit am Fenster ihres Schlafzimmers und kämpfte mit den Tränen, während Rhaish sich unruhig im Schlaf hin- und herwälzte. Er konnte ihr nicht sagen, wovon seine Träume handelten, aber sie wurden mit jeder Nacht schlimmer, so dass er schweißgebadet im Schlaf stöhnte. Wenn sie ihn weckten, würde er aufschreien und sie mit wahnsinnigen, blicklosen Augen anstarren.
    Furcht war Amali ä Yassara durchaus nicht fremd; sie hatte erleben müssen, wie der Hunger ihre Familie von ihren angestammten Ländereien vertrieb, wie sie wie Bettler durch die Straßen unzähliger Dörfer und Städte Akhendis zogen. Eine Weile hatte sie ihre Sorgen von Nyal vertreiben lassen, aber er hatte sie fortbringen wollen, und sie hätte wieder wie eine Teth’brimash durch die Lande ziehen müssen. Es war Rhaish, der sie gerettet hatte, der ihr half, aufzustehen, und dafür gesorgte, dass sie ihren Sen’gai wieder mit Stolz tragen konnte. Ihre Eltern und Brüder aßen nun am Tisch des Khirnari, und sie trug den Sohn des Khirnari unter ihrem Herzen. Bevor die Skalaner als Hoffnungsträger zu ihnen gekommen waren, hatte sie sich sicher gefühlt, und jetzt schrie ihr Gemahl im Schlaf wie ein Wahnsinniger.
    Mit einem schuldbewussten Schaudern griff sie in die Tasche ihres Nachtgewandes, auf der Suche nach dem Talisman, den Nyal ihr zum Ausbessern gegeben hatte. Es war nicht seiner, aber er stellte für sie eine Verbindung zu ihm dar, eine Entschuldigung, ihn wiederzusehen, sobald sie ihn repariert hatte. Mit den Fingern betastete sie die Knoten in dem Armband: die Arbeit eines Kindes, aber durchaus wirksam. Nyals Finger hatten ihr Handgelenk berührt, als sie im Haus der Säulen angekommen waren und er es ihr gegeben hatte. Sie gestattete sich, in der Erinnerung an diese Berührung Trost zu suchen, und an die danach; seine Hand in ihrem Haar, seine Arme um ihren Leib, die sie für eine kurze Zeit vor der Furcht und den Sorgen abschirmten. Eigentlich war es nicht der Ra’basi, wonach sie sich sehnte, sondern das Gefühl des Friedens, das er ihr stets vermittelt hatte –, leider nie lang genug.
    Sie schob den Talisman in ihre Tasche zurück. Nun war er auch ihr Talisman, ein Talisman, der ihr Trost spenden würde, wenn sie ihn brauchte. Sie trocknete ihre Tränen, suchte nach einem weichen Tuch und trat ans Bett, um ihrem geliebten Gatten den Schweiß von der Stirn zu wischen.

 
18
Magyana
     
     
    Kühle Bergluft auf ihrem Gesicht. Zerklüftete Gipfel vor makellos blauem Himmel. Nur noch ein Pass, und sie hätte die Hochebene erreicht. Für einen Augenblick schloss sie die

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