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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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vor und überlässt es L, zu opponieren …
    Alec setzte ein schiefes Grinsen auf. Was hatte er auch erwartet? ›Habe mich mit den Virésse getroffen und Intrigen gegen die Prinzessin geschmiedet‹?
    Aus seiner derzeitigen Position sah er den Raum in einer anderen Perspektive. Von hier aus konnte er die sauber polierten Schuhe in Reih und Glied neben der Kleidertruhe erkennen und die perfekt geglätteten Falten am Saum der Robe, die in der Nähe an der Wand hing.
    Ein Blick in die privaten Räume eines Menschen verrät mehr über ihn als ein einstündiges Gespräch, so hatte Seregil einst zu ihm gesagt. Damals hatte Alec diese Behauptung eher amüsant gefunden; jeder Raum, den Seregil bewohnte, befand sich in in kürzester Zeit in einem Zustand stetig zunehmender Unordnung. Torsins Zimmer hingegen brüllte seinen Ordnungssinn geradezu heraus. Alles befand sich an seinem Platz, nichts tanzte aus der Reihe.
    Als er unter dem Bett hervorglitt, bemerkte er etwas Rotes in der Asche im Kamin, gleich unter den Metallstreben des Rosts. Hätte er aufrecht gestanden, wäre ihm dieses Detail entgangen.
    Er kroch hinüber und sah, dass es sich um die halb verkohlten Überreste einer dunkelroten Seidenquaste mit einigen eingewobenen blauen Fäden handelte. Er bezweifelte, dass Torsin ein Kleidungsstück mit derartigen Ausschmückungen sein Eigen nannte, aber bei den Aurënfaie war solcher Zierrat weit verbreitet und schmückte Mäntel und Tuniken gleichermaßen.
    Und Sen’gais.
    Vorsichtig und mit erneut heftig pochendem Herzen zog er die Quaste hervor. Sie hatte die richtige Größe, um vom Rand eines Virésse-Kopfschmucks zu stammen. Jemand hatte sie zerstören wollen, aber sie war durch den Rost gefallen, ehe das Feuer sie vollständig vernichten konnte.
    Dann wird sie auch bestimmt nicht vermisst werden, dachte er, während er die Quaste in seine Gürteltasche stopfte.
     
    Den Rest des Morgens trieb er sich im Grenzgebiet zur Tupa der Khatme herum, in der Hoffnung, ein interessantes Gespräch anknüpfen zu können. Doch so geschickt er sich in diesem Bereich auch üblicherweise anstellen mochte, hier hatte er einfach kein Glück. Böse Blicke und gezischte ›Garshil‹-Beschimpfungen trieben ihn zurück, wann immer er sich zu weit auf das Gebiet der Khatme vorwagte.
    Vielleicht habe ich heute Morgen schon meine ganze Tagesration an Glück verbraucht, dachte er frustriert.
    An den wenigen Straßen in den Außenbezirken, die er hatte erkunden können, gab es keinen der üblichen Treffpunkte. Unfreundliche tätowierte Gesichter starrten ihn aus Fenstern und von Balkonen an, ehe sie aus seinem Blickfeld verschwanden. Wie es schien, hatte hier niemand Zeit zu trinken oder zu spielen. Andererseits, so zurückgezogen wie die Khatme waren, mochten ihre Tavernen sich weiter im Inneren des Territoriums befinden, weit entfernt von den neugierigen Blicken Außenstehender.
    Zur Mittagsstunde gab er auf und machte sich auf den Heimweg. Doch schon nach wenigen Straßenecken musste er feststellen, dass er sich wieder einmal verirrt hatte.
    »Bei Illior«, murrte er, während er finsteren Blickes die kahlen Wände und Hauseingänge musterte.
    »Blasphemie bringt dich nicht weiter, du Halbblut. Hier musst du den Lichtträger bei seinem wahren Namen nennen.«
    Eine Khatme-Frau trat wenige Meter entfernt in sein Blickfeld. Teilnahmslos lugte ihr Gesicht unter dem rot-schwarzen Sen’gai hervor. Sie trug nichts von dem üblichen schweren Schmuck, den Alec im Geiste stets mit diesem Clan in Verbindung brachte, aber ihre Tunika war mit granatapfelförmigen Silberperlen besetzt.
    »Ich wollte nicht unhöflich sein«, entgegnete Alec. »Aber Ihr könnt Euch die Mühe sparen, Magie anzuwenden; ich verirre mich auch ohne fremde Hilfe.«
    »Ich habe dich schon den ganzen Morgen beobachtet, Halbblut. Was willst du hier?«
    »Ich war nur neugierig.«
    »Du lügst, Halbblut.«
    Können die Khatme etwa Gedanken lesen? Oder sehe ich tatsächlich so schuldbewusst aus, wie ich mich fühle? Er setzte die tapferste Miene auf, derer er mächtig war, und entgegnete: »Ich bitte um Vergebung, Khatme. Das ist Brauch unter den Tír, wenn das, was wir gerade tun, niemanden anderen etwas angeht.«
    »So, dann gibt es also ein Zeremoniell der Doppelzüngigkeit? Wie überaus interessant.«
    Alec glaubte die Spur eines Lächelns zu erkennen, das die tätowierten Linien auf ihrer Wange kräuselte. »Ihr sagt, Ihr habt mich beobachtet, aber ich habe Euch nicht

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